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Ein Portraitbild von Doktorandin Laura Geiger.
Foto: HS Gesundheit/ds

Forschungsfeld: Beschäftigte in Privathaushalten

22. Juni 2022

Als Laura Geiger von dem Forschungsprojekt erfährt, wird sie sofort neugierig: „Gesund und kompetent in haushaltsnahen Dienstleistungen“ – abgekürzt „Gekonnt hanDeln“. „Im Fokus des Projektes steht die Förderung der Gesundheit von Beschäftigten in Privathaushalten“, erzählt die Nachwuchswissenschaftlerin. „Eine Gruppe, die bis heute nur wenig Beachtung in der Forschungslandschaft bekommt, Forschung zu diesem Thema gibt es kaum.“ Das Department of Community Health der HS Gesundheit, welches das Projekt in Kooperation mit der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe durchführt, möchte das ändern und sucht im Frühjahr 2020 eine wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Forschungsvorhaben. Laura Geiger bewirbt sich – mit Erfolg. Heute promoviert sie im Rahmen des Projektes.

Was sie an der Promotion reizt? Das Thema. Die Möglichkeit, wissenschaftlich zu arbeiten. Und: „Im Forschungsalltag kommt man nur selten dazu, sich mit einer gezielten Fragestellung umfassend zu beschäftigen. Dort hat man vielfältige Aufgaben, was auch toll ist, aber man hat selten die Zeit, sich so intensiv einem Thema zu widmen, wie in einer Doktorarbeit“, erzählt Laura Geiger. Die Doktorandin weiß, wovon sie spricht. Die 33-Jährige hat an der Universität Duisburg-Essen den Bachelorstudiengang „Soziologie“ studiert und anschließend den sozialwissenschaftlichen Master of Arts „Alternde Gesellschaften“ an der Technischen Universität Dortmund absolviert. Nach ihrer akademischen Ausbildung arbeitet sie in verschiedenen Forschungseinrichtungen, betreut Projekte, in denen es um Zusammenhänge von Arbeit und Gesundheit, insbesondere psychischer Gesundheit, geht. Bis sie für das Forschungsprojekt „Gekonnt hanDeln“ an die HS Gesundheit wechselt.

Das Projekt wird von Prof.in Dr.in Gudrun Faller, Professorin für Kommunikation und Intervention im Kontext von Gesundheit und Arbeit an der HS Gesundheit, geleitet und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Es untersucht, wie sich die Arbeit und die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in Privathaushalten auf deren Gesundheit auswirken. Welche Präventionsstrategien sind sinnvoll und notwendig? Welche Einflussmöglichkeiten haben die Beschäftigten selbst, um ihre Tätigkeit gesundheitsförderlich zu gestalten und mit welchen Angeboten kann deren Handlungskompetenz gestärkt werden? „Der größte Teil der Beschäftigten in Privathaushalten unterstützt Berufstätige oder Menschen höheren Alters beim Reinigen oder Aufräumen ihrer Wohnung. Die Beschäftigtengruppe besteht zu 90 Prozent aus Frauen. Über 60 Prozent der Beschäftigten sind älter als 50 Jahre“, weiß Laura Geiger. Ihre Promotion knüpft an das Projekt an. Sie beleuchtet insbesondere die psychischen und psychosozialen Anforderungen der Beschäftigtengruppe bei der Arbeit. „Ich schaue mir an, welche psychischen Belastungen durch die Arbeit in welchem Ausmaß vorliegen, ob es Belastungsquellen gibt, die wir von Beschäftigten in anderen Branchen so nicht kennen und wie sich diese Belastungen auf die Gesundheit der Beschäftigten in Privathaushalten auswirken.“ Dafür nutzt die Doktorandin die im Projekt erhobenen Daten. Die Untersuchung basiert im ersten Schritt auf einer qualitativen Befragung durch leitfadengestützte Interviews mit Beschäftigten in Privathaushalten, vermittelt über die Minijobzentrale der Knappschaft Bahn-See.

„Die Interviews zeichneten uns ein erstes Bild, unter welchen Bedingungen die Beschäftigten arbeiten: Wie wird die Arbeitsmenge beurteilt? Stehen die Beschäftigten unter Zeitdruck? Wie steht es um die Kommunikation mit dem Auftraggeber, also jenen Personen, die im Haushalt leben? Was sind neben Belastungen und Gefährdungen aber auch Ressourcen, aus denen die Beschäftigten bei ihrer häufig auch körperlich anstrengenden Arbeit Motivation schöpfen?“ Auf die ersten Interviews hat Laura Geiger für ihre Promotion eine zweite, noch detailliertere quantitative Befragung aufgesetzt. Die erhobenen Daten analysiert sie gerade, doch erste Erkenntnisse über mögliche psychische Belastungen hat sie bereits gewonnen.

Laura Geiger: „Ich denke, dass jeder Mensch das Recht auf einen Arbeits-platz hat, der gesundheits-förderlich ist.“

„Bei vielen der Befragten hört man vor allem heraus, dass es sie belastet, dass ihre Tätigkeit keinen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hat. Dass ihre Tätigkeit eher eine Arbeit ist, auf die von oben herabgeschaut wird“, erzählt Laura Geiger. Als weiterer Belastungsfaktor zeige sich in einigen Fällen die fehlende Anmeldung der Beschäftigung. „Laut Angaben der zuständigen Einzugs- und Meldestelle gibt es etwa 300.000 Beschäftigte in Privathaushalten hierzulande, die mit ihrer Beschäftigung bei der Minijob-Zentrale angemeldet sind. Im Gegenzug wird vermutet, dass etwa drei Millionen Beschäftigte in haushaltsnahen Dienstleistungen nicht angemeldet sind. Diese Beschäftigten leben oft in ständiger Angst, aufzufliegen. Auch das kann eine große psychische Belastung sein.“ Laura Geiger beobachtet, dass psychische und psychosoziale Belastungen auch aus einem starken Verantwortungsgefühl der Beschäftigten heraus entstehen, weil sie das Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber nicht belasten wollen. „Weil sie aber zugleich auch wissen, an was für einem seidenen Faden solch ein Vertrauensverhältnis hängen kann. Ganz entscheidend für das mentale Wohlbefinden der Beschäftigten in Privathaushalten ist es, wie vertrauensvoll das Verhältnis zwischen Beschäftigten und Auftraggebern ist. Ein gutes Verhältnis mit klaren Absprachen ist eine der wichtigsten Ressourcen für die Haushaltshilfen bei der Arbeit.“

Laura Geiger möchte mit ihrer Arbeit zu mehr Aufklärung in dem Beschäftigungssektor beitragen. „Die Beschäftigten können von keinem betrieblichen Gesundheitsmanagement profitieren, haben keine Interessensvertretung auf ihrer Seite, sondern stehen häufig allein da. Das Arbeitsschutzgesetz gilt für sie nicht. Allerdings gibt es anderweitige Regelungen, die einen gleichwertigen Schutz einfordern.“ Darüber hinaus vermutet Laura Geiger, dass die Nachfrage nach Unterstützung im Haushalt weiter steigen wird. „Ein Grund könnte der demografische Wandel sein. Die Altersstruktur entwickelt sich dahingehend, dass es immer mehr ältere Menschen gibt, die länger in ihrem eigenen Zuhause leben möchten, dort aber Unterstützung benötigen. Ein weiterer Grund könnten Familien sein, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind und die sich deshalb Entlastung bei den Tätigkeiten im eigenen Haushalt wünschen“, sagt Laura Geiger. Dann ergänzt sie: „Diese Menschen leisten eine wichtige Arbeit. Ich möchte mit dazu beitragen, auch in diesem Bereich für psychische Belastungen zu sensibilisieren und gesundheitsförderliche Strukturen zu schaffen. Denn ich denke, dass jeder Mensch das Recht auf einen Arbeitsplatz hat, der gesundheitsförderlich ist.“

Übrigens: Die Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum richtet am 29. Juni 2022 mit dem „Tag der Nachwuchswissenschaftler*innen“ das Scheinwerferlicht auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. An dem Tag lässt sich nicht nur ab 15:00 Uhr im Audimax / Atrium viel übers Promovieren erfahren (u.a. Vortrag von Janina Obermeyer, Referentin der Geschäftsstelle des Promotionskolleg NRW), sondern sich auch vom Forschungswillen junger Doktorand*innen der Hochschule überzeugen. In einem Posterwettbewerb werden zwölf von ihnen, ihre Projekte interessierten Besucher*innen und einem Jurorenteam präsentieren.

Eine Außenaufnahme des Gebäudes der HS Gesundheit.
Foto: HS Gesundheit/Prime Avenue
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