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Das Bild zeigt ein Portrait von Katharina Borrmann.
Katharina Borrmann / Foto: privat

„Solche Arbeiten sind extrem hilfreich, die Logopädie sichtbar zu machen“

14. Oktober 2022

Welche Auswirkungen kann eine Covid-19-Infektion auf den Prozess des Schluckens haben? Mit dieser Frage beschäftigte sich Katharina Borrmann, Absolventin des Studiengangs Logopädie an der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum in ihrer Bachelorarbeit. Für ihre herausragende Leistung wurde sie auf dem 10. Symposium Evidenzbasierte Logopädie der HS Gesundheit vom Studienbereich Logopädie mit dem „Bochumer Nachwuchspreis“ ausgezeichnet.

Während ihres Praxissemesters – das fest in das Logopädie-Studium an der HS Gesundheit eingebunden wird – ist Katharina Borrmann in einem Krankenhaus tätig. Drei Monate unterstützt sie dort in der logopädischen Arbeit auf der Neurologie- sowie Intensivstation, auf der damals auch Patient*innen mit einer Covid-19-Infektion behandelt werden. „Zu jener Zeit verbreitete sich das Virus erstmals in Deutschland. Die Logopäd*innen dort beobachteten gemeinsam mit den Ärzten sehr genau, was Corona mit den Menschen macht, was die Krankheit für Auswirkungen auf die logopädische Arbeit hat und wie frühzeitig auch in der Akutphase behandelt werden könnte. Denn eine Covid-19-Infektion kann zum Beispiel nach einer künstlichen Beatmung zu einer Schluckstörung, einer Dysphagie, führen“, erzählt Katharina Borrmann. „Mich interessiert der Bereich der Dysphagie fachlich sehr und so hatte ich das Thema meiner Bachelorarbeit schnell gefunden. Ich wollte der Frage nachgehen, welche Auswirkungen eine Covid-19-Infektion auf den Prozess des Schluckens haben kann und dadurch vielleicht auch eine Diskussion anregen, ob es sich bei einer Schluckstörung infolge einer Covid-19-Infektion um ein eigenes Störungsbild handelt oder nicht.“

Wissenschaftliche Studien oder Literatur gibt es zu Beginn der Pandemie kaum, die 21-Jährige führt für ihre Abschlussarbeit – die von Prof. Dr. Kerstin Bilda, Professorin im Studienbereich Logopädie an der HS Gesundheit, als Erstgutachterin betreut wurde – Interviews mit Expert*innen aus der ambulanten und klinischen Praxis. Sie entwickelt einen Leitfaden, mit dem sie unter anderem Informationen darüber sammelt, in welchem Maße bereits mit Covid-19-Patient*innen gearbeitet wurde, welche Charakteristik die Dysphagien aufweisen und welche Erfahrungen bezüglich Ursache und Prognose der Schluckstörung gemacht wurden. „Meine Auswertung zeigt, dass die Erfahrungen im ambulanten und stationären Bereich unterschiedlich waren. Im stationären Bereich wurde zu Beginn der Pandemie vermehrt von Schluckstörungen in Folge einer künstlichen Beatmung berichtet. Ausgelöst wurden sie durch den Prozess der Beatmung selbst, beispielsweise durch eine dadurch aufgetretene Kehlkopfverletzung, manchmal auch durch eine damit einhergehende Bildung von Ödemen. Ein weiterer Auslöser von Schluckstörungen waren neurologische Erkrankungen, welche während der langen Beatmungszeit auftraten“, erzählt Katharina Borrmann.

Das Bild zeigt ein Portrait von Dr. Ulrike Frank.
Foto: privat
Dr. Ulrike Frank, Diplom-Patholinguistin mit dem Schwerpunkt Dysphagie und Dozentin an der Universität Potsdam.

Im ambulanten Bereich wurden anfangs andere Beobachtungen gemacht, wie Dr. Ulrike Frank, Diplom-Patholinguistin mit dem Schwerpunkt Dysphagie und Dozentin an der Universität Potsdam berichtet. Sie ist eine der Expertinnen, die Katharina Borrmann für ihre wissenschaftliche Arbeit interviewt hat und arbeitet zusätzlich in der Patientenversorgung in einer Praxis. „Im ambulanten Bereich standen zu Beginn der Pandemie mehr Symptome wie Kurzatmigkeit, Leistungsschwäche, Müdigkeit, Erschöpfung und muskuläre Schwäche im Fokus. Mit den Symptomen verbunden ist ein flacher Atem und eine erhöhte Atemfrequenz, die zu Schluckstörungen und demzufolge zu Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme führen können“, erzählt Dr. Ulrike Frank. Man müsse sich das ungefähr so vorstellen: „Wer gerade einen anstrengenden Dauerlauf hinter sich hat, der wird nicht gleich ein Glas Wasser austrinken. Wir beobachteten aber auch, dass eine hohe Viruslast Schädigungen im Hals und Rachen, an Muskeln und Nerven hervorrufen kann, die die Schluckfunktion ebenfalls beeinträchtigt.“

Katharina Borrmann hält in ihrer wissenschaftlichen Arbeit ein heterogenes Störungsbild fest, das wiederum zeige, dass es nicht die typischen Covid-Patient*innen gibt. „Sondern wie in der Logopädie üblich, muss auch hier individuell auf Patient*innen und ihre Krankengeschichte geschaut werden.“ Dr. Ulrike Frank nickt und ergänzt: „Es ist auch nach einer Covid-Erkrankung wahnsinnig wichtig, die Patient*innen intensiv zu ihrer Krankheitsgeschichte zu befragen, denn es gab zu Beginn und gibt bis heute nicht so ein klares Profil das zeigt, diese Schwierigkeiten haben Long-Covid-Patient*innen.“

Für Dr. Ulrike Frank sind derartige wissenschaftliche Arbeiten am Puls der Zeit daher wichtig. „Das Versorgungssystem war in der frühen Phase der Pandemie noch sehr mit akuten Covid-Patient*innen beschäftigt, um die Therapie von Langzeitfolgen, also um Post-Covid-Rehabilitationen, ging es erst etwas später. Eine Covid-19-Erkrankung kann Symptome nach sich ziehen, die sich in Handlungsfeldern der Logopädie wiederfinden. Daher fand ich die Fragestellung der Bachelorarbeit spannend und extrem relevant zugleich, weil durch sie erst einmal ein Bedarf ermittelt wird.“ Die Arbeit zeige auch auf, welchen Platz die Logopädie in der Behandlung von Covid-Langzeitfolgen haben könne. „In der Akutversorgung war das tatsächlich nicht so fraglich, da gehörten Logopäd*innen schnell mit zum Behandlungsteam. Bei der Versorgung von Long-Covid-Patient*innen war das anfangs anders.“ Das habe sich aber geändert. Heute kämen Patient*innen nach einer Covid-Infektion auch mit Langzeitfolgen in die logopädische Praxis, beobachtet Dr. Ulrike Frank und ergänzt: „Solche Arbeiten sind extrem hilfreich, die Logopädie sichtbar zu machen, damit die Menschen nach einer Covid-Infektion eine adäquate Gesundheitsversorgung erhalten.“

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