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Umwelt- und Gesundheitsschutz

16. März 2018

Das Projekt Sandy (Sanierung dynamisch), bei dem es um die Förderung energetischer Sanierung von privaten Wohngebäuden geht, ist kurz vor dem Abschluss. Auch Prof. Dr. Heike Köckler, Professorin für Sozialraum und Gesundheit an der Hochschule für Gesundheit (hsg), ist in dem Forschungsverbund beteiligt. Nun wurde Sandy von der KlimaExpo.NRW ausgezeichnet und das Bochumer Teil-Projekt, in dem es um die Befragungen von privaten Wohneigentümer*innen ging, ist auf der Landkarte von KlimaExpo.NRW zu sehen.

Ältere Menschen und Migrant*innen

Für eine gute Sanierung braucht es nicht nur gute Technik, sondern auch eine Anwendung dieser. Und es sollte schnell etwas getan werden, denn rund ein Viertel der Treibhausgasemission in Deutschland steht im Zusammenhang mit Wohngebäuden. Deswegen war die Frage, der das Projekt Sandy auf den Grund gehen wollte: Warum saniert jemand energetisch und warum nicht? Dabei wurden explizit Menschen mit Migrationshintergrund und ältere Menschen befragt. Bei den Migrant*innen wurden vor allem türkisch- und russischstämmige Menschen in den Fokus genommen, weil sie zwei große Gruppen der Migrant*innen in Deutschland sind. Außerdem hat in  beiden Gruppen ein bedeutender Teil  Wohneigentum. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass unter den türkischen Migranten viele ehemalige Bergarbeiter sind, die ihre Zechenhäuser gekauft haben. Typischerweise machen sie viele Arbeiten am Haus in Eigenleistung. Ältere Menschen bekommen aufgrund ihres Alters schwieriger Kredite für Sanierungsarbeiten. Wenn sie keine Kinder haben oder ihre Kinder nicht im Haus wohnen, sehen sie eine Investition häufig nicht mehr als sinnvoll an. „Diese beiden Gruppen der älteren Menschen und der Migrant*innen haben sich für mich als besonders interessante Untersuchungsgruppen herauskristallisiert“, erklärt Köckler.

Dr. Michael Walther (Projektmanager der KlimaExpo.NRW) überreichte Prof. Dr. Heike Köckler (hsg Bochum; beide in der Bildmitte) stellvertretend für die Projektpartner die offizielle Urkunde zur Aufnahme in die Leistungsschau. Foto: KlimaExpo.NRW

Sanierungen mit vielen positiven Effekten

Als grundsätzlichen Tipp gibt die Wissenschaftlerin allen sanierungsinteressierten Wohneigentümern mit: „Es ist wichtig, in Synergien zu denken.“ Schließlich gibt es ein ganzes Gebäude, das saniert werden kann. Ein gutes Beispiel für eine Sanierung ist ein gedämmtes Dach, um sich im Sommer besser vor Hitze zu schützen. Aber auch neue Fenster und Türen sind eine gute Idee und haben gleich mehrere positive Effekte: Gut gedämmte Haustüren halten nicht nur die Wärme im Haus, sondern sind oft auch besser gegen Einbruch gesichert. Dies trägt zum gesteigerten Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden bei. Zudem sind gut isolierte Fenster nicht nur zwei-, sondern auch dreifachverglast zu erwerben und bieten dann teils auch einen Lärmschutz. „Noch besser wäre es natürlich, wenn man den Lärm vermeiden könnte, aber mit diesen Fenstern kann man sich mit so genanntem passiven Schallschutz auch schon mal gut helfen“, so Köckler. Den Zusammenhang von Lärm und Gesundheit untersucht die hsg-Professorin übrigens gerade unter anderem in einer Lärm-Studie zum Bochumer Stadtteil Wattenscheid.

Trotz zahlreicher positiver Effekte werden Eigentümer*innen von Häusern beim Umweltschutz aber selten aktiv. Dafür gibt es laut Köckler Gründe: „Erstens ist energetische Sanierung schlecht für Freunden und Bekannten sichtbar, man kann also nicht damit angeben. Zweitens amortisieren sich die Kosten erst über einen längeren Zeitraum.“ Zehn neue Fenster machen also einfach weniger Eindruck als ein neues Auto. Und die positiven Effekte für die Umwelt sind nicht sofort zu spüren. Allerdings merkt man eine Verbesserung der Gesundheitsaspekte sofort: Mit einem neuen Dach ist es im eigenen Haus im Sommer sofort kühler, mit neuen Fenstern im Winter wärmer.

Die Flyer zum Projekt Sandy wurden in deutscher, türkischer und russischer Sprache verfasst. Foto: hsg-Bochum

Instrumentenkoffer für Kommunen

Um Eigentümer*innen zu motivieren, sich mehr für den Umweltschutz zu engagieren, wurde im Projekt Sandy nach Instrumenten gesucht, um energetische Sanierungen von privatem Wohneigentum auf kommunaler Ebene zu fördern. „Als eine gute Möglichkeit hat sich hier der/die Quartiersarchitekt*in herausgestellt. Er/Sie berät Eigentümer*innen vor Ort ohne kommerzielles Interesse. Das funktioniert gut. Da sehe ich ein großes Potential“, erklärt Köckler. Als weitere erfolgsversprechende Ansätze haben sich Sanierungspartys herausgestellt, bei denen Sanierungsinteressierte zu einem ungezwungenen Gespräch mit einem Berater eingeladen werden. Außerdem existieren bekannte ordnungspolitische Instrumente, zu denen zum Beispiel die Möglichkeit zählt, die Instandsetzung oder Modernisierung von Gebäuden von kommunaler Ebene her aufzuerlegen.

Doch wie genau sieht nun das spezielle Verhalten von älteren Menschen und Migrant*innen aus? Daniel Simon und Alejandra Matovelle, die beide wissenschaftliche Mitarbeiter*innen der hsg sind, führten dazu Befragungen durch. Diese wurden sowohl persönlich von Angesicht zu Angesicht als auch telefonisch durchgeführt. Auf die Befragungen wurde über Flyer informiert, die in deutscher, türkischer und russischer Sprache verfasst waren, so dass keine Sprachbarrieren aufgebaut wurden. Doch trotz des großen Einsatzes der Forscher*innen, möglichst viele Eigentümer der umschriebenen Gruppe zu erreichen, war die Resonanz enttäuschend. Köckler fasst zusammen: „Es interessiert sich kaum jemand für energetische Wohngebäudesanierung. Die Bereitschaft, über das Thema zu reden, war sehr gering.“


Der Forschungsverbund von Sandy:

Hochschule für Gesundheit (Department of Community Health), Universität Ulm (Institut für theoretische Chemie, Wirtschaftschemie), Universität Kassel (Fachgebiet Ökonomie der Stadt- und Regionalentwicklung), Karlsruher Institut für Technologie (Fachgebiet Immobilienwirtschaft), Karlsruher Institut für Technologie (Deutsch-Französisches-Institut für Umweltforschung), Öko-Zentrum NRW GmbH und Green City Energy AG. Koordiniert wird das Projekt von Prof. Dr. Michael Hiete, Professor für Wirtschaftschemie an der Universität Ulm.


Ergebnisse von Sandy

Dennoch können einige Ergebnisse der Befragung festgehalten werden und Köckler berichtet: „Der Stand der energetischen Gebäudesanierung ist schlecht. Wir nutzen die Potentiale nicht. Außerdem ist uns offensichtlich noch nicht klar, wie divers unsere Gesellschaft ist, denn wir haben keine adressatengerechten Instrumente zur Sanierungsförderung“, so Köckler. Dabei sind Menschen mit Migrationshintergrund und ältere Menschen eine Zielgruppe, die dringend stärker angesprochen werden müsste. Genau das würden die Ergebnisse von Sandy zeigen und Köckler erklärt: „Es gibt Hinweise darauf, dass bei Migrant*innen und älteren Menschen die Motivation zu sanieren weniger groß ist als bei anderen Eigentümer*innen.“ Und sie ergänzt: „Kaum jemand bearbeitet das Thema der Sanierungsförderung in einem diversen Kontext, aber wir müssen es angehen.“

Das Projekt Sandy hat Köckler quasi an die hsg mitgebracht. Bereits als die Wissenschaftlerin noch am Zentrum für Umweltsystemforschung der Universität Kassel lehrte, ist die Idee für Sandy entstanden. Als der Antrag gestellt wurde, war sie an der TU in Dortmund am Fachbereich Stadt- und Regionalplanung angestellt. Der Zuschlag für den Antrag kam dann 2014. Seit Ende 2015 ist Köckler Professorin für Sozialraum und Gesundheit im Department of Community Health der hsg. Doch schon bei den anfänglichen Überlegungen zur Sanierung wurden Gesundheitsaspekte mitgedacht. Trotzdem betont sie: „Sandy ist nicht im Kern ein Gesundheitsprojekt. Unser Ziel war es, Kommunen im Umweltschutz zu unterstützen.“ Dennoch ist ein Beispiel dafür, dass Gesundheit in unterschiedlichen Politikfeldern verfolgt werden kann.

Das Forschungsprojekt Sandy wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).


Text: Dr. Anna Knaup, Online-Redakteurin des hsg-magazins

Aufmacher: hsg.

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