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Versorgung von Menschen mit Krebs

24. Oktober 2017

Ende September 2017 nahm Jennifer Kelch, die im ersten Jahrgang ‚Gesundheit und Diversity‘ studiert hat, glücklich ihre Bachelor-Urkunde in Empfang. In ihrer Bachelor-Arbeit hat sie sich intensiv damit beschäftigt, woran es jungen Menschen mit der Diagnose Krebs im Gesundheitssystem mangelt – ein Thema, zu dem sie auch eine sehr persönliche Beziehung hat.

Jennifer Kelch strahlt vor Lebensfreude. Obwohl sie in ihrem jungen Leben schon viel mitgemacht hat. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Vor einigen Jahren hat die 28-Jährige die Diagnose Krebs erhalten und aus nächster Nähe mitbekommen, wo es am Gesundheitssystem noch einige Schrauben zu stellen gibt. Zwar war sie mit der medizinischen Versorgung sehr zufrieden, stellte aber gleichzeitig fest, dass es auch noch Angebote darüber hinaus geben könnte. Damit künftige Patient*innen in ihrem Alter mehr Möglichkeiten haben als sie selber, setzt sie sich nun verstärkt dafür ein, die Rahmenbedingungen für junge Krebspatient*innen zu verbessern.

„Direkt nach der Schule wusste ich nicht genau, welchen beruflichen Weg ich gehen soll“, berichtet Jennifer Kelch. Am liebsten möchte sie etwas mit Menschen machen. Dazu beginnen viele in ihrer Umgebung mit einem Studium der Betriebswirtschaftslehre. Also fasst Kelch den Plan, einfach beides miteinander zu kombinieren, ebenfalls Wirtschaftswissenschaften zu studieren, und zwar mit dem Ziel, später im Personalmanagement zu arbeiten. Sie schreibt sich an der TU-Dortmund ein – und ist im Gegensatz zu ihren vielen zufriedenen Kommiliton*innen unglücklich mit ihrer Entscheidung.

Ein Schicksalsschlag führt sie schließlich in eine andere Richtung: Durch ihre Erkrankung beschäftigt sie sich das erste Mal intensiv mit Gesundheitsthemen. Schließlich fasst sie den mutigen Entschluss, ihr Studienfach und damit die Hochschule zu wechseln. Im ersten Studienjahrgang studierte sie ‚Gesundheit und Diversity‘. Erfolgreich, denn Ende September 2017 konnte sie als eine der besten Absolvent*innen stolz ihre Bachelor-Urkunde entgegennehmen.

Schon nach den ersten Tagen des neuen Studiums ist der gebürtigen Dortmunderin klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat. „Ich interessiere mich tatsächlich sehr für fast alles, was wir hier lernen“, schwärmt Kelch. „Man ist hier ständig mit allen im Dialog, auch mit den Lehrenden. Das gefällt mir.“ Und dass die kleinen Lerngruppen einen positiven Effekt auf das Lernen haben können, kann sie nur bestätigen: „Wenn man in einer Gruppe von 20 Leuten in einer Lehrveranstaltung sitzt, dann kann man viel intensiver arbeiten.

Entscheidend für den mutigen Wechsel des Studiengangs ist eine schlimme Erkrankung: An ihrem 22. Geburtstag geht Jennifer Kelch ins Krankenhaus. Schon vorher fühlte sie sich eine Weile gar nicht gut. Ihr ist klar, dass irgendetwas nicht stimmt. Acht Tage nach ihrem Geburtstag kommt dann die Diagnose: Lymphdrüsenkrebs.

„Ich habe mich damals im Gesundheitssystem nicht gut aufgehoben gefühlt. Da fehlten Angebote für junge Menschen“, reflektiert Jennifer Kelch. Zwar empfand sie ihre medizinische Versorgung sehr gut und hat sich in dieser Hinsicht auch immer gut aufgeklärt gefühlt – allerdings fehlten ihr hilfreiche Angebote darüber hinaus, zum Beispiel im psychosozialen Bereich. Wenn sie etwas für ihre Zielgruppe gefunden hatte, dann waren dies vor allem Online-Angebote und das Format war fast durchweg das der Selbsthilfe. Dabei hätte sie damals zum Beispiel sehr gerne ein spezielles Sportprogramm für junge Krebspatien*innen gemacht. Für andere Altersgruppen gab es nach ihrem Empfinden deutlich mehr Möglichkeiten.

Als die junge Frau in ihrem Studium so weit vorangeschritten ist, dass sie sich für ein Thema für ihre Bachelor-Arbeit entscheiden muss, forscht sie schließlich über die psychosoziale Versorgung von jungen Erwachsenen mit Krebs. Und tatsächlich ist eines ihrer Ergebnisse, dass das Angebot für junge Erwachsene vergleichsweise klein ist. „Es gibt zum Beispiel deutschlandweit nur vier Rehabilitations-Angebote für junge Leute. Das ist aber auch kein Wunder, denn sie stellen eine kleine Gruppe dar. Jährlich erkranken ungefähr 15.000 Menschen zwischen 18 und 39 Jahren an Krebs. Das ist deutlich weniger als in den anderen Altersgruppen“, berichtet die Absolventin. Da die Anzahl der erkrankten Kinder und Erwachsenen größer ist, gibt es also auch mehr Angebote für diese. Dabei ist aber auch noch ein weiterer Faktor relevant: „Die Gruppe der jungen Erwachsenen wird erst seit ein paar Jahren in den Fokus genommen“.

„Jährlich erkranken ungefähr 15.000 Menschen zwischen 18 und 39 Jahren an Krebs,“ Jennifer Kelch, Studentin an der hsg

Dabei ist das Vorhandensein verschiedenster Angebote für Krebspatient*innen in jedem Alter enorm wichtig. „Man muss sich einmal vorstellen, dass die Leute oft nicht nur gegen den Krebs kämpfen müssen, sondern auch noch gegen verschiedene Behörden, die Krankenkassen und immer wieder um Geld“, ärgert sich Jennifer Kelch. Ein Umstand, auf den sie durch ihre Forschungsarbeit zu jungen Erwachsenen auch aufmerksam machen möchte. Die zentralen Ergebnisse ihrer Forschung sind aber folgende: „Junge Erwachsene haben vor allem das Bedürfnis, besser informiert zu werden und wünschen sich psychosoziale Angebote, die ihr direktes soziales Umfeld miteinbeziehen, sowie sozialrechtliche Hilfestellungen.“ Aus den Ergebnissen ihrer qualitativen Studie zieht Jennifer Kelch daher zwei zentrale Konsequenzen: „Neben der Entwicklung bedarfsgerechter Betreuungsangebote sollte die Verbesserung der Kommunikation bestehender Angebote maßgebliches Ziel sein.“

Durch ihre Forschung möchte die Bachelor-Absolventin nicht nur auf die Missstände in der Versorgung von jungen Erwachsenen mit Krebs aufmerksam machen, sondern zu Verbesserungen anregen. „Ich möchte etwas für die Leute bewirken, die sich nun in einer ähnlichen Situation befinden wie ich damals“, resümiert sie. „Eine Verbesserung würde meiner Meinung nach zum Beispiel dann entstehen, wenn Ärzte besser über lokale Angebote Bescheid wüssten, aber auch dem Alter ihrer Patient*innen angemessenen kommunizieren würden“, regt die 28-Jährige an. Verbesserungen könnten dabei übrigens auch schon durch kleine Handlungen erzeugt werden. So erzählte Jennifer Kelch zum Beispiel ihrer eigenen Ärztin, dass sie in ihrer Arbeit herausgefunden hat, dass Patient*innen oft Informationsmaterial fehle. „Da ist die Ärztin sofort losgegangen und hat neue Flyer in den Wartebereich gelegt“, berichtet Kelch.

In ihrer Bachelor-Arbeit habe sie sich bewusst mit einem Thema beschäftigt, dass ihr am Herzen liegt. Betreut wurde sie hierbei übrigens von Prof. Dr. Gudrun Faller, Professorin für Kommunikations- und Interventionsprozesse im Gesundheitswesen an der hsg. Inzwischen studiert die 28-Jährige den Master-Studiengang ‚Gesundheit und Diversity in der Arbeit‘ an der hsg und kann sich vorstellen, später im Gesundheitsmanagement und auch in der Beratung speziell für junge Erwachsene mit schweren Erkrankungen tätig zu sein. Dass die damalige Krebserkrankung nicht nur dazu beigetragen hat, dass sich Jennifer Kelch bezüglich ihres Studienfaches umorientiert hat, sondern dass die Erkrankung auch ihre Lebenseinstellung geändert hat, davon ist die hsg-Studentin überzeugt: „Ich stresse mich nun insgesamt weniger und mache mehr Dinge, die mir Freude bereiten.“


Text: Dr. Anna Knaup, Online-Redakteurin des hsg-magazins. Der Text erschien am 24. Oktober 2017 im hsg-magazin.

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