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Reality-Brille im hsg-Check

26. Februar 2018

Wenn man durch diese spezielle Brille schaut, ist es fast so, als wenn man durch eine Sonnenbrille sieht. Alles ist etwas abgedunkelt. Allerdings ist diese Brille deutlich schwerer. Und sie kann auch viel mehr: In einem Seminar von Prof. Dr. Wolfgang Deiters, Professor für Gesundheitstechnologien an der Hochschule für Gesundheit (hsg), testeten zehn Studierende in diesem Semester, inwieweit der Einsatz von Augmented Reality (AR)-Brillen in der Praxis der Gesundheitsberufe praktikabel sein könnte.

Eine technische Erweiterung der Realität

Unter Augmented Reality (AR) versteht man die computergestützte Erweiterung der Realität, so wie sie zum Beispiel von der App Pokémon-Go bekannt ist. Wenn man durch eine Augmented-Reality-Brille schaut, dann sieht man die gewohnte Realität – und dazu noch ein paar technische Erweiterungen. Diese können spezielle Symbole sein oder auch Hinweise in Textform. Wie genau das alles funktioniert, ist in dem Seminar an der hsg nicht relevant. Vielmehr geht es hier um die Praktikabilität der Brille. Deiters erläutert: „Die hsg ist keine Hochschule, an der Technik entwickelt wird. Trotzdem ist es natürlich spannend, neue Technologien in die wissenschaftliche Ausbildung zu bringen, damit die Studierenden schon heute sehen, was vielleicht bald auf sie zukommt.“

Dass es Augmented Reality-Brillen gibt, haben Celine Habig, Torben Honrath und Alexander Groschopp schon mitbekommen. Was genau sie können, haben sie vor dem Seminar allerdings noch nicht so genau gewusst. Die drei studieren an der hsg im ersten Semester Gesundheit und Diversity im Bachelor-Studiengang. Im Seminar von Prof. Dr. Wolfgang Deiters sind sie zum ersten Mal in Kontakt mit den mysteriösen Brillen gekommen.

Torben Honrath und Alexander Groschopp machen den hsg-Check: Wie praktikabel sind AR-Brillen im Alltag der Gesundheitsberufe? Foto: hsg/Wolfgang Deiters

Was nutzt die Technik im Berufsalltag?

Die Studierenden durften in dem Seminar nicht nur miterleben, was vielleicht schon in ein paar Jahren zu ihrem beruflichen Alltag gehört, sondern sie sollten auch Rückmeldungen geben, inwieweit sie die Technik überhaupt für praktikabel und sinnvoll erachten. Dazu erklärt Deiters: „Technik wird ja oft aufgrund dessen entwickelt, was machbar ist. So entstehen aber manchmal Entwicklungen am Nutzer vorbei. Mich reizt die Idee, diese Schnittstelle dazwischen zu bedienen.“ Und genau darum ging es beim Einsatz der AR-Brillen an der hsg: „Wir haben nutzerorientiert über Technik nachgedacht. Die Technik wird also woanders entwickelt, aber wir evaluieren sie hier. Das ist doch eine sinnvolle Zusammenarbeit“, so Deiters.

Entwickelt wird die Brille von Wendy Lee. Sie studiert Angewandte Informatik und schreibt  ihre Master-Arbeit auf dem Gebiet Assistenzsysteme auf Basis von Virtual/Augmented Reality am Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) in Dortmund. Ganz simpel formuliert forscht sie daran, wie man verschiedene Informationen in die Brille bekommt und nutzbar machen kann. Zur Evaluierung brachte sie zwei Brillen mit in das Seminar. Um die Praktikabilität zu testen, sollten die insgesamt zehn Studierenden verschiedene Aufgaben mit der Brille erfüllen. So sollen die Studierenden zum Beispiel mit der Brille drei QR-Codes scannen. Die Steuerung hat dabei über drei verschiedene Hand-Gesten funktioniert. Nachdem die Studierenden die Brillen ausprobiert hatten, füllten sie Fragebögen aus. Die dort gemachten Einschätzungen sollen Lee dabei helfen, die Nutzerorientiertheit bei der Entwicklung ihrer Brillen im Blick zu haben. Grundsätzlich ist diese Arbeit und ihre Evaluierung ein schönes exemplarisches Beispiel, wie eine Zusammenarbeit mit einer wissenschaftlich technisch ausgerichteten Forschungseinrichtung und der hsg mit Ihrem ausgeprägten Anwendungsblick funktionieren kann. Fraunhofer ISST und hsg beabsichtigen, ihre Kooperation in diesem Umfeld noch weiter auszubauen.

Erste Erfahrungen mit AR-Brillen

„Wir wussten bei den Aufgaben immer genau, was wir machen sollten“, erzählt Torben Honrath. Und das könnte daran liegen, dass alles auf einer bekannten Bedienoberfläche basiert, berichtet er: „Die Brille funktioniert über ein ganz normales Windows-System. Es war wirklich interessant, dass das komplette Betriebssystem in dieser Brille war. Und es hat eigentlich alles so ausgesehen, wie man das kennt.“ Fehlerfrei funktioniert hat sie aber noch nicht: „Bei mir ist zum Beispiel oben rechts ein Fenster aufgegangen, dass sich nicht mehr hat schließen lassen.“

Celine Habig berichtet, dass ihr Start mit der Brille etwas holprig war: „Die Passform hat man über zwei kleine Räder eingestellt. Gleichzeitig musste man die Brille aber auch noch festhalten. Das hat alles etwas länger gedauert als gedacht.“ Und sie ergänzt: „Es war total interessant, die Brillen zu testen. Aber es war auch noch sehr schwierig, sie zu bedienen. Wir brauchten dafür sehr viel Feingefühl.“ Privat hat die 20-Jährige übrigens bereits eine virtuelle Reality-Brille für Smartphone-Spiele. „Und die professionelle Brille, die wir getestet haben, war teilweise sogar noch schwieriger zu bedienen als meine Brille.“

Im hsg-magazin erzählen Torben Honrath, Alexander Groschopp und Celine Habig von ihren Erfahrungen mit AR-Brillen, die sie in einem Seminar an der hsg gesammelt haben. Foto: hsg

Operationen und fremdsprachliche Texte

Die Anpassung der Brille war also schon mal nicht so einfach. Aber wäre die Brille denn in der Praxis sinnvoll? Habig meint: „Ich muss gestehen, dass ich gar nicht so genau verstanden habe, wofür die Brille genau eingesetzt werden soll. Der Mehrwert ist mir noch nicht wirklich klar. Gleichzeitig kann ich mir aber auch vorstellen, dass so etwas vielleicht in zwanzig Jahren Standard ist.“ Bei Alexander Groschopp hat die Brille seine Phantasie angeregt und er erzählt: „Ich kann mir vorstellen, dass die Brille im ärztlichen Bereich, zum Beispiel bei Operationen, eingesetzt werden könnte. Mit ihr könnte man zum Beispiel immer die Herzfrequenz einer Patientin oder eines Patienten im Blick haben.“ Allerdings würde er diese Einsatzmöglichkeit noch nicht beim momentanen Entwicklungsstand sehen. „Und wenn man damit gut umgehen möchte, muss man sicherlich viel üben“, sagt er.

Torben Honrath ist skeptisch, was den Einsatz der Brille angeht: „Im jetzigen Zustand fand ich die Brille viel zu unpraktisch. Und eigentlich kann man alles, was man mit ihr kann, auch so oder so ähnlich mit einem ganz normalen Smartphone machen.“ Gleichzeitig kann er sich den Einsatz in einer weiterentwickelten Version sehr gut vorstellen: „Praktisch wäre es zum Beispiel, wenn die Brille direkt fremdsprachige Texte übersetzen könnte, die man liest.“ Bei einem Punkt sind sich alle drei Studierenden einig und Groschopp bringt es auf den Punkt: „Die Brille muss auf jeden Fall leichter werden.“

Angst davor, dass Technologien irgendwann Menschen im Gesundheitswesen ersetzen könnten, hat die Studentin Habig übrigens nicht. Sie ist davon überzeugt, dass diese kein Ersatz für Menschen sein können und erklärt: „Wenn es zum Beispiel um Roboter geht, die im Bereich der Pflege eingesetzt werden sollen, dann bezweifle ich, dass Roboter die wichtige emotionale Bindung ersetzen können, die Menschen untereinander aufbauen können.“

Technologie im Studium der Gesundheitsberufe

Prof. Dr. Wolfgang Deiters zieht nach dem Einsatz der Brillen im Seminar folgendes Resümee: „Ich habe für mich gelernt, dass der Einsatz von neuen Technologien offensichtlich viele Studierende interessiert. Man kann sie nicht nur leicht für Technik interessieren, sondern sie gehen auch sehr konstruktiv mit ihr um.“ Torben Honrath meint dazu: „Wenn so etwas noch mal angeboten wird, würde mich das interessieren.“ Und bei Deiters ist er da anscheinend an genau der richtigen Adresse, denn dieser kündigt an: „Das würde ich in Zukunft gerne öfter mit den Studierenden machen.“ Für ihn ist nämlich klar: „Heutzutage kommt gefühlt niemand mehr um das Thema Digitalisierung herum und deswegen sollten die Studierenden meiner Meinung schon möglichst früh eine eigene Haltung zu technischen Neuerungen entwickeln.“


Text: Dr. Anna Knaup, Online-Redakteurin des hsg-magazins

Aufmacher: hsg/Wolfgang Deiters. Zu sehen sind die beiden hsg-Studentinnen Celine Habig und Sabrina Göller sowie Wendy Lee vom ISST.

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