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Das Bild zeigt Dr. Ellen Meyer und Hannah Meutsch im Gespräch.

3 Fragen an … die Logopädin Ellen Meyer

9. Juli 2019

Dr. Ellen Meyer setzt auch in der Lehre auf die Verbindung von Theorie und Praxis: Sie lädt immer wieder Patientengruppen in ihre Seminare ein, um auch innerhalb der Lehrveranstaltungen theoretisches Wissen und praktisches Arbeiten zu verknüpfen. Die Vertretungsprofessorin im Bereich Logopädie an der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) hatte im Sommersemester 2019 drei Aphasiker-Gruppen zu Besuch, um Logopädie-Studierenden des 4. Semesters die Therapie und Diagnostik bei dieser Erkrankung am praktischen Beispiel zu erläutern. Unterstützt wurde sie dabei von Hannah Meutsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Interprofessionellen Gesundheitszentrum der hsg Bochum (InGe), und Sabrina Krouß, Logopädin und Fachtherapeutin für Neurologie aus Rheine, die die Studierenden bei den Therapien mit den Patient*innen anleiteten. Im Interview erzählt Meyer wieso der Umgang mit Patient*innen innerhalb der Seminare so wichtig ist und wie die Studierenden auf die Veranstaltung reagiert haben.

Was umfasst das Krankheitsbild der Aphasie und wie sind die Therapieaussichten?

Dr. Ellen Meyer: Eine Aphasie fängt klassischer Weise an, wenn der Spracherwerb schon abgeschlossen ist. Aphasie heißt eigentlich übersetzt Sprachlosigkeit. Und das bedeutet, dass Patient*innen aufgrund einer neurologischen Erkrankung – das kann ein Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma oder ein Tumor sein – die Sprache verloren haben. Dabei teilt sich Sprache in vier Bereiche auf:  Sprache verstehen, das Sprechen – also die Wortfindung, Grammatik und Semantik – außerdem Lesen und Schreiben. Jeder Mensch ist von der Aphasie in unterschiedlichen Bereichen betroffen auch unterschiedlich schwer. Deshalb sind auch die Therapieaussichten sehr unterschiedlich. Wichtig ist jedoch immer, dass eine intensive Sprachtherapie stattfindet und das am besten auch möglichst früh nach dem Sprachverlust. Unter anderem haben die Studierenden bei den Besuchsterminen Übungen aus der Neurolinguistischen Aphasietherapie (NAT) mit den Patient*innen durchgeführt. Im Anschluss an diese praktischen Erfahrungen ging es für die angehenden Logopäd*innen an die Supervision des bisher geleisteten, denn alle Therapien sind filmisch dokumentiert worden und mussten in dem anschließenden Seminar analysiert werden.

Wie haben Sie die Besuchstermine der Aphasiker*innen in den Lehrplan eingebunden?

Meyer: Es gab in diesem Semester drei Termine zusammen mit verschiedenen Aphasiker-Gruppen. Im April besuchte uns zunächst eine Selbsthilfegruppe aus Lingen. Bei diesem Termin haben sich die Patient*innen erst einmal selbst vorgestellt, um anfängliche Berührungsängste abzubauen, denn einige Seminar-Teilnehmer*innen sind vielleicht zum ersten Mal mit jemandem konfrontiert worden, der diese neurologische Störung aufweist und da entwickeln sich natürlich Hemmungen.

Auch die Studierenden haben sich vorgestellt, denn für die Aphasiker*innen ist es genauso spannend zu hören, was sind das für Personen, die mir da begegnen und warum wollen die Logopäd*innen werden? Es herrschte Neugier auf beiden Seiten. Im Anschluss haben die Studierenden dann eine Anamnese nach der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) bei den Aphasik*innen durchgeführt – was später auch in der Praxis verlangt wird. Das ist in Gruppenarbeit passiert. Somit konnten sich die Studierenden untereinander Hilfestellungen geben. Danach führten sie eine Spontansprachanalyse nach dem Aachener Aphasie Test durch. Das dient beides der Vorbereitung auf die Praxisphase.

Beim zweiten Besuch – diesmal mit einer neuen Gruppe von Aphasikern*innen aus der Praxis von Sabrina Krouß, haben die Studierenden mit den Patient*innen eine komplette Diagnostik durchgeführt und beim dritten Besuch – der gerade erst stattgefunden hat, konnten die Studierenden dann verschiedene Therapien mit den Aphasiker*innen ausprobieren. Bei den letzten Terminen war außerdem auch ein Parkinson-Patient aus der Praxis von Frau Krouß dabei, der ebenfalls an den „Sprachtherapien“ – diesmal jedoch im Bereich der Sprechstörungen wie Artikulation und Atmung – teilgenommen hat.

Wieso sind praktische Inhalte in Lehrveranstaltungen, wie der Besuch der Aphasiker*innen, so wichtig?

Meyer: Es ist wichtig, dass die Studierenden Diagnostik und Therapien üben, bevor sie diese in der Praxis anwenden. Nehmen wir den Aachener Aphasie-Tests als Beispiel – da ist es wichtig, dass die Interviewsituation des Tests schon vorher einmal ausprobiert wird. Hier reicht es nicht, nur den Fragenkatalog durchzugehen, sondern der Therapeut muss auf den Patient*innen reagieren, denn diese haben Wortfindungsprobleme. Er oder sie kann vielleicht gar nicht so antworten, wie ich mir das eventuell vorstelle und dann stellt sich die Frage, wie verhalte ich mich in der Situation und wie gebe ich den Patient*innen Hilfestellungen, damit er oder sie eventuell antworten kann. Dies konnten die Studierenden in meiner Veranstaltung am praktischen Beispiel austesten.

Meine Vorlesung war folgendermaßen aufgeteilt, erst Theorie, dann zeige ich anhand von selbstgedrehten Filmen, wie eine Diagnostik oder Therapie in der Praxis aussieht, wobei jeder Studierende anhand der kleinen Tapes in Großaufnahme, die Diagnostik anhand der Diagnostikbögen selbst durchführen und protokollieren kann.  Danach lade ich Gäste ein, damit die Studierenden die Therapiesituation auch einmal live erleben und selbst ausprobieren können. Auch die Besuche der Aphasiker*innen sind gestaffelt: zuerst das Kennenlernen der Patient*innen, um Berührungsängste abzubauen, dann die Diagnostik und schließlich die Therapie. Auch dieses Mal konnten wir beobachten, wie wichtig diese Übungen für die Studierenden sind. Zuerst war das Lampenfieber natürlich sehr groß – denn sie wussten ja nicht, was sie erwartet. Diese anfänglichen Berührungsängste haben sich aber schnell gelegt. Für die Studierenden war das eine Vorbereitung auf die Praxis, denn sie gehen ab September 2019 ein halbes Jahr in das Praktikum, in die logopädische Praxis.

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Text: Das Interview führte Judith Merkelt-Jedamzik, Online-Redakteurin des hsg-magazins. Die Bildtexte verfasste Dr. Ellen Meyer. Der Text erschien am 9. Juli 2019 im hsg-magazin.

Aufmacher: Zusehen sind Dr. Ellen Meyer und Hannah Meutsch (v.l.) im Gespräch. Foto: Harald Nowak

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