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Symbolbild Gruppenarbeit.

Arbeit gesund und vielfältig gestalten

16. August 2019

Was muss geschehen, damit aus einer Erkenntnis und einer Idee ein Studiengang wird? Über den Weg von der Idee zum Ziel sprachen wir mit Prof. Dr. Gudrun Faller, Professorin für Kommunikations- und Interventionsprozesse im Gesundheitswesen an der hsg Bochum.

GunDa ist die Kurzform von ‚Gesundheit und Diversity in der Arbeit‘, einem neuen Studiengang im Department of Community Health. Warum ist ein solcher Studiengang notwendig?

Prof. Dr. Gudrun Faller: Das Anliegen des Departments of Community Health ist es, eine gerechte gesundheitliche Versorgung für alle Bevölkerungsgruppen sicherzustellen und dabei die Potenziale der Vielfalt von Menschen zu stärken. Wir möchten Gemeinschaften darin unterstützen, sich für ihre eigene Gesundheit einzusetzen. Eine wichtige Rolle für die Förderung und Erhaltung von Gesundheit spielt die Erwerbstätigkeit. Es ist wichtig, Arbeit so zu gestalten, dass sie gesund macht und nicht krank. Für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ergeben sich daraus komplexe Anforderungen, die in den Gesundheitswissenschaften bisher noch unzureichend berücksichtigt werden.

Zum Beispiel?

Faller: Der Anteil psychiatrischer Diagnosen an den Arbeitsunfähigkeitstagen ist in den letzten Jahren immens gestiegen. Das hat mehrere Ursachen. Eine von Ihnen ist die zunehmende Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit. Die klassischen Instrumente der Prävention von Unfällen und Berufskrankheiten kommen hier an ihre Grenzen und es ist wichtig, dass der Arbeitsschutz ergänzt wird um Ansätze, die auf gesundheits- und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Ein zentraler Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Einbeziehung von Diversityaspekten in entsprechende Programme.

Diversityaspekte standen im Jahr 2015, als die Idee zum Studiengang entstand, im gesellschaftlichen Diskurs sehr im Fokus.

Faller: Nicht zuletzt im Kontext der Zuwanderungsdiskussion haben Überlegungen dahingehend, wie Gesundheitspotenziale in einer vielfältigen Gesellschaft bedarfs- und bedürfnisgerecht gefördert werden können, neue Impulse erhalten. Diversityaspekte bei der Gestaltung von Arbeit spielen aber auch in Zusammenhang mit den Entwicklungen der Demografie und der neuen technischen Herausforderungen eine Rolle. Es geht darum, Unternehmen zu befähigen, mit Vielfalt kompetent und konstruktiv umzugehen. Unsere Absolvent*innen lernen im Studiengang geeignete Ansätze und Strategien kennen, wie sie Unternehmen und Beschäftigte dabei unterstützen können.

"Es geht darum, Unternehmen zu befähigen, mit Vielfalt kompetent und konstruktiv umzugehen."

Wie entstand aus dieser Idee ein Studiengang?

Faller: 2015 haben wir uns im Department erstmals mit diesen Fragen beschäftigt. Wichtig war uns, dass alle im Department, vor allem die Lehrenden, die Idee mittragen und mitverantworten. Die ersten Schritte bestanden dann darin, dass wir in Workshops erste Grundlagen und Strukturen festgelegt und diese später konkretisiert haben. Wichtig war uns, dass alle Beteiligten ihre Vorstellungen einbringen konnten. Parallel dazu haben wir eine Bedarfsanalyse bei verschiedenen Zielgruppen durchgeführt und Studierende, Unternehmer*innen und Fachleute danach befragt, wie sie unser Vorhaben einschätzen. Die Ergebnisse haben uns ermutigt, weitere Schritte zu gehen und den Studiengang zu etablieren.

Worin bestanden die Herausforderungen?

Faller: Die berufliche Perspektive war ein großes Thema. Wenn man einen neuen Studiengang entwickelt, ist eine zentrale Frage die, ob die Absolvent*innen im Anschluss eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Deshalb haben wir wie beschrieben, die Bedarfsanalyse auf mehreren Ebenen realisiert.

Eine zweite Herausforderung war die Frage der Studierbarkeit.

Inwiefern?

Faller: Wir waren uns am Anfang nicht sicher, ob wir GunDa berufsbegleitend oder in Vollzeit anbieten sollten. Denn einerseits wollten wir den klassischen Vollzeitstudierenden eine weiterführende Option bieten, andererseits wollten wir im Zusammenhang mit dem Thema ‚Arbeit‘ auch Studierende ansprechen, die berufstätig sind und ihr neues Wissen direkt in die Praxis einbringen können. Die Befragung der Studierenden ergab ein ‚Unentschieden‘. Jeweils die Hälfte sprach sich für einen Teilzeit- beziehungsweise Vollzeitstudiengang aus. Deshalb haben wir uns entschieden, den Studiengang doppelt anzubieten: als Vollzeitstudiengang und berufsbegleitend.

Gudrun Faller
Prof. Dr. Gudrun Faller, Professorin für Kommunikations- und Interventionsprozesse im Gesundheitswesen, erläutert im Interview, warum der hsg Bochum der Studiengang ‚Gesundheit und Diversity in der Arbeit, noch gefehlt hat. Foto: hsg Bochum/Volker Wiciok

Also laufen Teilzeitstudiengang und Vollzeitstudiengang parallel?

Faller: Ja. Wir haben 2017 zunächst mit dem berufsbegleitenden Studiengang angefangen und starteten im Herbstsemester 2018 zusätzlich mit dem Vollzeitstudiengang. Inhaltlich sind die Studiengänge vergleichbar, aber die didaktische Vermittlung und die Zeittaktung sind unterschiedlich. Im berufsbegleitenden Studiengang gehen wir davon aus, dass bereits Kontakte in das Berufsfeld bestehen.

Wie ging es dann mit der Entstehung des Studiengangs weiter?

Faller: Wenn man einen Studiengang entwickelt, muss dieser die Anforderungen erfüllen, die die Bologna-Vorgaben formulieren. Ein Modulhandbuch muss verfasst und Studienordnungen, Prüfungsordnungen und Zulassungsordnungen müssen geschrieben werden. Außerdem ist jeder Studiengang durch eine externe Institution zu akkreditieren, bevor er in Nordrhein-Westfalen an den Start gehen darf. Weiterhin muss er beworben werden, damit überhaupt Studieninteressierte auf ihn aufmerksam werden. Das sind viele Aufgaben, die alle bedacht und rechtzeitig geplant und umgesetzt werden müssen. Selbstverständlich haben wir dabei mit unterschiedlichsten Stellen der Hochschulverwaltung zusammengearbeitet, die uns immer sehr unterstützt haben.

Wie ist der Studiengang aufgebaut?

Faller: Der Studiengang enthält fünf Themenschwerpunkte, die während des gesamten Studiums leitend sind. Zu diesen zählen erstens das disziplinäre Grundlagenwissen mit Themen wie Arbeitsmedizin, Arbeitspsychologie, Arbeitssoziologie, Arbeitsschutz und Arbeitsrecht. Ein zweiter Strang vermittelt Managementwissen, das die Studierenden befähigt, betriebliche Strategien und Prozesse mit den Zielen von Gesundheit und Diversity zu etablieren. Der dritte Schwerpunkt ist Diversity-Wissen – hier geht es um Bedarfs- und Bedürfnislagen unterschiedlicher Zielgruppen. Der vierte Schwerpunkt besteht in der Vermittlung von Forschungskompetenzen und der fünfte Schwerpunkt sind Sozial- und Selbstkompetenzen und betrifft den Aufbau von Fertigkeiten in den Bereichen Beratung, Moderation, Präsentation und Konfliktmanagement.

Wie ist der Stand der Forschung zum Thema Diversity in der Arbeit?

Faller: Wir wissen zu dem Thema noch viel zu wenig. Das fängt schon mit der Frage an, wie sich die Erwerbspersonen im Hinblick auf Alter, Behinderung, Migrationshintergrund oder soziale Benachteiligung zusammensetzen und wie es den einzelnen Gruppierungen bei der Arbeit geht. Aber auch mit der Frage, welche spezifischen arbeitsbedingten Belastungen sie jeweils haben, inwieweit sie in Strukturen und Prozesse des Arbeitsschutzes und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements eingebunden sind und vieles mehr. Unsere Absolvent*innen setzen sich auf wissenschaftlicher Basis mit diesen Themen auseinander und eruieren die Möglichkeiten eines professionellen Herangehens zur Umsetzung eines integrierten Gesundheits- und Diversity-Managements. Gerade im Zusammenhang mit den technischen Veränderungen ist das ein zentrales Thema der Zukunft der Arbeit.


Text: Das Interview führte Tanja Breukelchen, freie Journalistin. Der Text erschien am 16. August 2019 im hsg-magazin.

Aufmacher: Arbeitsmaterial aus dem Studiengang GunDa. Foto: hsg Bochum/Volker Wiciok

Gudrun Faller
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