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Ich bin dann mal krank

7. Juni 2018

Heute heißt Gabriele Bahr zur Abwechslung mal Michaela Miltner, ist 77 Jahre alt und hat einen gebrochenen Oberschenkelhals. Als Simulationspatientin an der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) schlüpft die gebürtige Bochumerin immer wieder in verschiedene Rollen, damit die Studierenden ihr theoretisches Wissen praktisch anwenden können.

Schauspielerische Erfahrung

Weil ihr das Hineinfühlen in verschiedene Charaktere so viel Freude bereitet, hat die 67-Jährige inzwischen auch schon einige Gastauftritte in bekannten TV-Produktionen vorzuweisen: Sie war zum Beispiel in den Gerichtssendungen Angelika Kallwass und Barbara Salesch, in der Kommissarsendung Niedrig und Kuhnt sowie in der Serie Köln 50667 zu sehen. „In meinem nächsten Leben werde ich dann vermutlich Schauspielerin“, witzelt Bahr.

Im Gegensatz zu den Rollen im TV sind die Rollen, die sie als Simulationspatientin an der hsg Bochum spielt, auch medizinisch ausgerichtet. „So habe ich hier inzwischen schon einige Krankheitsbilder sehr gut kennen gelernt“, berichtet die Bochumerin. Heute spielt sie im Rahmen des Projekts Interprofessionelles Handeln im Gesundheitswesen (IPHiGen), bei dem Studierende der hsg und der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam lernen, eine Patientin mit einem Bruch des Oberschenkelhalses, die bereits ein künstliches Hüftgelenk hat. Neben Informationen zur Krankheit, hat Bahr im Vorhinein auch Informationen zum Charakter bekommen, den sie darstellen soll. „Ich soll heute eine ältere Dame spielen, die sehr deprimiert ist, sich alleine fühlt und nur ungern behandeln lassen möchte, weil sie einfach keinen Lebensmut mehr hat“, erklärt sie.

Einige Vorgaben bei der Rollenumsetzung kann Bahl übrigens besser umsetzen als andere. „Dieses Mal steht zum Beispiel in meiner Beschreibung, dass ich nicht mehr gerne esse und inzwischen nur noch 51 Kilogramm wiege. Das habe ich so schnell nicht hinbekommen“, erzählt die Bochumerin und muss lachen.

Eigentlich ist Gabriele Bahr übrigens gelernte Erzieherin, hat später wegen ihrer eigenen Kinder eine Arbeitspause eingelegt und arbeitet nun in einer führenden Position in der Telekommunikationsbranche. Mit ihren 67 Jahren sucht sie sich ihre Jobs mit Bedacht aus: „Ich mache nur Dinge, die mir Spaß machen. Ich finde, in meinem Alter kann ich mir das so erlauben.“

Gabriele Bahr, Marie Mortier, Clara Waleczek und Tabea Rosenthal beim Patientengespräch. Foto: hsg

Das Patientengespräch

Vor dem Gespräch mit der Simulationspatientin überlegen sich die Studierenden des interprofessionellen Projekts IPHiGen in kleinen Gruppen, was sie auf welche Weise erreichen möchten. Auf einem großen Zettel halten Marie Mortier (23 Jahre alt, Medizin-Studentin an der RUB), Clara Waleczek (24 Jahre alt, ebenfalls Medizin-Studentin an der RUB) und Tabea Rosenthal (21 Jahre alt und Pflege-Studentin an der hsg Bochum) ihre Ideen fest. Währenddessen zieht Gabriele Bahr schon mal ihre Schuhe aus, legt die Lesebrille auf einen Tisch und macht es sich in einem Pflegebett des Skills-Labs gemütlich. Die Umgebung hier ist den tatsächlichen Bedingungen zum Beispiel in einem Krankenhaus nachempfunden.

Dann geht es los: Marie Mortier, Clara Waleczek und Tabea Rosenthal begrüßen ihre Patientin mit Handschlag. Im Verlauf des Informations- und Aufkärungsgesprächs versuchen die drei Studentinnen immer wieder, ihre Patientin mit dem fiktiven Namen Michaela Miltner von den positiven Effekten einer Behandlung der gebrochenen Hüfte zu überzeugen. Doch die Simulationspatientin macht es den Studierenden nicht leicht. Am Ende des Gesprächs sieht Waleczek etwas Motivation in ihrer Patientin aufflammen und erklärt: „Wenn wir auch nur ein ganz kleines Fünkchen Motivation in Ihnen geweckt haben, dann hat das Gespräch ja schon etwas gebracht.“ Doch die Patientin kontert: „Ach, das ist immer alles so leicht gesagt. Kommen Sie erst mal in mein Alter.“ Auch Mortier hat mit der resignierten Patientin zu kämpfen und erklärt: „Wir wollen im Endeffekt ja alle nur das Beste für Sie.“

"Eine harte Nuss" - Gabriele Bahr spielt ihre Rolle als Simulationspatientin gut. Foto: hsg

Der Mensch im Fokus

Nach dem Gespräch fragt Dr. Markus Wübbeler, Vertretungsprofessor am Department für Pflegewissenschaft der hsg Bochum und fachliche Begleitung des Workshops ‚Delirprävention‘ im Rahmen des Projekts IPHiGen, die drei Studentinnen: „Und was meint ihr? Wie ist es gelaufen?“ An Gabriele Bahr gewandt antwortet Clara Waleczek: „Sie war definitiv eine harte Nuss!“ Alle Umstehenden müssen lachen und Bahr hakt ein: „Die drei haben sich aber sehr bemüht.“

Warum die Arbeit mit Simulationspatient*innen nicht nur Spaß macht, sondern auch sinnvoll ist, bringt Tabea Rosenthal auf den Punkt: „Beim Alltag im Krankenhaus geht schnell die Sicht auf den Menschen verloren. Durch Simulationspatient*innen können wir lernen, die Theorie auf den Menschen anzuwenden.“


Das Projekt IPHiGen wird bis zum Jahr 2018 im Programm Operation Team von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert. Organisiert und durchgeführt wurde der Workshop ‚Delirprävention: Der ältere Patient im Krankenhaus‘ im Rahmen des IPHiGen-Projekts von Dr. Markus Wübbeler, Vertretungsprofessor am Department für Pflegewissenschaft der hsg Bochum, Dr. Barbara Woestmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Allgemeinmedizin der Ruhr-Universtität Bochum, sowie den beiden wissenschaftlichen Hilfskräften Melanie Schulze Elshoff und Carolin Bahns (beide studieren im Master-Studiengang ‚Evidence-based Health Care‘ an der hsg Bochum).

Weitere Informationen zum Projekt IPHiGen können hier nachgelesen werden: https://www.hs-gesundheit.de/de/thema/forschung/forschungs-und-entwicklungsprojekte-fue/laufende-projekte/iphigen/

Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) berichtet hier über IPHiGen.


Text: Dr. Anna Knaup, Online-Redakteurin des hsg-magazins

Aufmacher: hsg

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