Mit nachhaltigen Innovationen das Gesundheitswesen klimaneutral gestalten
„Der Bedarf an Innovationen im Gesundheitswesen ist groß“, sagt Prof. Dr. Frank Schmitz. Für den Dekan des Departments für Ökonomie und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen sollten sich diese vor allem durch zwei Merkmale auszeichnen. „Um die von der Bundesregierung angestrebte Klimaneutralität zu erreichen, braucht es vor allem nachhaltige und digitale Innovationen.“ Genau um solche geht es in dem neuen Bachelorstudiengang Management nachhaltiger Innovationen im Gesundheitswesen, der ab Wintersemester 2024/25 an der Hochschule studiert werden kann. Was Studieninteressierte in dem Studiengang erwartet, welchen Praxisbezug das Studium hat und wie die Perspektiven am Arbeitsmarkt aussehen – darüber berichtet Prof. Dr. Frank Schmitz im Interview.
Zum Wintersemester 2024/25 startet erstmals der neue Bachelorstudiengang Management nachhaltiger Innovationen im Gesundheitswesen. Vor welchem Hintergrund wurde er entwickelt?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Weltweit betrachtet, trägt die Gesundheitswirtschaft über vier Prozent zu den gemessenen Treibhausgas-Emissionen bei. In Deutschland resultieren bereits fünf Prozent der Emissionen aus dem Gesundheitswesen. Das Gesundheitssystem ist einer der größten CO2-Emittenten in unserem Land, zum Beispiel durch die hohe Rate an Transporten und dem erheblichen Energieverbrauch. Ein Krankenhausbett verbraucht pro Jahr doppelt so viel Strom wie ein Privathaushalt von drei Personen und induziert eine dreimal so hohe Abfallmenge wie eine Privatperson. Der ökologische Fußabdruck ist so groß, dass er nicht zu übersehen, geschweige denn zu ignorieren ist. Das Gesundheitssystem muss Richtung Klimaneutralität umgebaut werden, denn ohne diesen bewussten klimaneutralen Umbau – das heißt die nachhaltige Transformation des Gesundheitswesens – werden wir kein klimaneutrales Gesundheitssystem erzielen.
Und mit Aspekten des klimaneutralen Umbaus werden sich die Studierenden in dem neuen Studiengang beschäftigen?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Richtig, Schlüsselfaktoren für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind unter anderem Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Innovationen. Eine nachhaltige Transformation erfordert vielfältige Innovationen und die Nutzung digitaler Möglichkeiten und darum geht es in unserem neuen Studiengang. Die Studierenden werden sich in sieben Semestern mit dem nachhaltigen Umbau des Gesundheitswesens beschäftigen, den Nutzen von Gesundheitsdaten in diesem Zusammenhang kennenlernen und über neue Geschäftsmodelle in dem Kontext nachdenken können. Geschäftsmodelle, die einen effizienten Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen fördern – vom Energieeinsatz, über den Personaleinsatz bis hin zum Einsatz von Lebensmitteln. Ein optimaler Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen hat etwas mit Nachhaltigkeit zu tun und ist über nachhaltige, intelligente und digitale Innovationen zu erreichen. Beispiel: Bei einem knapper werdendem Arbeitskräftepotenzial, aber einer zugleich immer weiter ansteigenden Nachfrage, müssen wir die Gesundheitsversorgung weiterhin auf einem hohen Level halten und das erreichen wir nur durch Innovationen. Nachhaltige Innovationen haben das Potenzial, das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu gestalten und die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten und zugleich zu verbessern. Deshalb stehen sie im Fokus des neuen Studiengangs.
Prof. Dr. Frank Schmitz: „Die Studierenden werden im Studium selbst Ideen für potenzielle Innovationen entwickeln und diese in einem Gründungswettbewerb an unserer Hochschule präsentieren.“
Die Studierenden des neuen Bachelorstudiengangs werden auch gemeinsame Vorlesungen mit Studierenden zweier anderer Studiengänge besuchen?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Genau, der neue Bachelorstudiengang ist interdisziplinär aufgebaut, das heißt, dass die Studierenden neben ihren Vorlesungen rund um zum Beispiel Innovationsmanagement und Entrepreneurship auch Vorlesungen aus den beiden Bachelorstudiengängen Nachhaltiges Management in der Gesundheitswirtschaft sowie Gesundheitsdaten und Digitalisierung besuchen. Das direkte Zusammentreffen mit Studierenden anderer Studiengänge ermöglicht einen erweiterten fachlichen Austausch und die Gewinnung neuer Perspektiven. Zudem ist es eine gute Vorbereitung auf die spätere Berufspraxis, in der ebenfalls verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Durch den engen Kontakt mit Nachhaltigkeitsexpert*innen und Digitalexpert*innen werden die Studierenden des neuen Bachelorstudiengangs als Innovationsexpert*innen zu Antreiber*innen zwischen den Welten.
Ein Schwerpunkt im Studium ist der Bereich neue Technologien. Mit welchen neuen Technologien werden sich die Studierenden dort auseinandersetzen?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Sie werden ganz verschiedene neue Technologien im Gesundheitswesen kennenlernen und sehen, dass nachhaltige Innovationen heute vor allem durch neue Technologien entstehen. Sie ermöglichen andere, schnellere und effizientere Prozesse. Wir werden mit den Studierenden zum Beispiel auch über Künstliche Intelligenz diskutieren, die auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt macht und zukünftig auch dort allgegenwärtig sein wird. Verbunden zum Beispiel mit bekannten Assistenzsystemen werden sicherlich neue Anwendungsfelder entstehen. Ich sehe Künstliche Intelligenz als Chance, das Fachpersonal im Gesundheitswesen an der einen oder anderen Stelle zu entlasten. KI kann menschliche Tätigkeiten übernehmen, nicht um das dringend benötigte Fachpersonal zu ersetzen, sondern um ihm Raum und kostbare Zeit zu geben, um sich zum Beispiel wertvollen zwischenmenschlichen Tätigkeiten wie der persönlichen Interaktion mit Patient*innen wieder mehr widmen zu können. Grundsätzlich sollten wir offen sein, wie Personal durch nachhaltige, digitale Innovationen entlastet werden kann, weil eine solche Entlastung auch neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Versorgung gerade auf der mitmenschlichen Ebene schaffen kann.
Auch Daten können dabei helfen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern.
Prof. Dr. Frank Schmitz: Daher werden sich die Studierenden in einem weiteren Schwerpunkt mit der nachhaltigen digitalen Datengenerierung, -auswertung und -verwertung befassen. Datenmanagement ist eine wesentliche Grundlage, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Die Erfassung der CO2-Bilanz in sämtlichen internen Wertschöpfungsketten aber zum Beispiel auch bei eingekauften Produkten ist elementar, denn erst wenn man weiß, wie der ökologische Fußabdruck im Einzelnen ist, kann anfangen werden, etwas zu verbessern. Daten können dann dazu genutzt werden, Produkte und Prozesse nachhaltiger zu gestalten. Die Studierenden werden darüber hinaus Module in Datensicherheit und Datenschutz, Projektmanagement sowie Moderation und Kommunikation besuchen, ökonomische Grundlagen erlernen und sich dem spannenden Feld der Unternehmensgründung und Unternehmensführung widmen.
Prof. Dr. Frank Schmitz: „Außerdem sieht das Studium ein gesamtes Praxissemester vor.“
Inwiefern?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Die Studierenden werden im Studium selbst Ideen für potenzielle Innovationen entwickeln und diese in einem Gründungswettbewerb an unserer Hochschule einer Jury aus Expert*innen aus der Praxis präsentieren. Wir möchten jungen Menschen die Chance geben, bei uns Ideen für potenzielle Start-ups im Gesundheitswesen zu entwickeln und haben dafür ein Modul Projektstudium vorgesehen, in dem sie mit Praxispartner*innen zusammenarbeiten und von einem starken Netzwerk der Hochschule profitieren können. Die Region Ruhrgebiet bietet beste Voraussetzungen für die Gründung eines Start-ups, sie ist wie ein Reallabor.
Neben dem Modul Projektstudium: Wie praxisnah ist das Studium?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Die Studierenden werden in dem Studium immer wieder auch im Austausch mit externen Expert*innen aus der Praxis stehen. Außerdem sieht das Studium ein gesamtes Praxissemester vor, das die Studierenden bei einem Unternehmen verbringen. Dort können sie praktische Erfahrungen sammeln, erlerntes Wissen aus der Theorie anwenden, zugleich aber zum Beispiel auch Themen für ihre Bachelorarbeit entwickeln, die an das Semester anschließt und so idealerweise mit einem Unternehmen zusammen umgesetzt werden könnte. Alternativ kann das Praxissemester auch im Ausland verbracht werden.
Was sind mögliche berufliche Einsatzfelder nach dem Studium?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Absolvent*innen des Studiengangs sind bestens gerüstet, um in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens zu arbeiten und dieses für die Zukunft aktiv mitzugestalten. Wir sehen Einsatzfelder als Mitarbeiter*in in der Organisations- und Unternehmensentwicklung bei Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in der Pharmaindustrie und bei Herstellern von Medizinprodukten. Ebenso könnten Absolvent*innen als Consultant in Prüfungs- und Beratungsgesellschaften tätig sein. Auch ein Einsatz als Referent*in für innovative Versorgungsmodelle und Versorgungsmanagement bei Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhausgesellschaften oder als Referent*in im Nachhaltigkeitsmanagement bei Akteuren des Gesundheitswesens bietet sich an. Ebenso bei Verbänden des Gesundheitswesens, etwa als Referent*in zu den Themen Innovation, digitale Gesundheitsanwendungen und Nachhaltigkeit. Absolvent*innen könnten sich Start-ups im Gesundheitssektor anschließen, bekommen aber auch das Rüstzeug an die Hand, um selbst Gründer*innen eines gesundheitsbezogenen Start-ups zu sein.
Was sollten Studieninteressierte für den Studiengang mitbringen?
Prof. Dr. Frank Schmitz: Offenheit für Neues und Interesse an Technik, Digitalisierung und vor allem an dem spannenden Berufsfeld Gesundheitswesen.