
So lief der Start in das digitale Sommersemester
Prof. Dr. Sven Dieterich, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum), erzählt im Interview, wie die Hochschule die Transformation des Lehrangebots in digitale Formate gemeistert hat und wie sie versucht, die Corona-Krise auch als Chance wahrzunehmen.
Wie viele Lehrveranstaltungen können nun digital angeboten werden?
Prof. Dr. Sven Dieterich: Deutlich über 90 Prozent der geplanten Module für das Sommersemester 2020 können aktuell digital angeboten werden. In vielen Studiengängen gelingt dies auch zu 100 Prozent. Bei einigen Praxisveranstaltungen lässt es sich allerdings nicht vermeiden, dass sie zumindest in Teilen zeitlich verschoben werden. Hier haben wir durch die ministeriellen Verordnungen eine recht hohe Flexibilität bei der Suche nach pragmatischen Lösungen. Vorrangiges Ziel ist es, für die Studierenden Brüche in den Studienverläufen zu vermeiden und ihnen trotz des späteren Startes des Vorlesungsbetriebs ein attraktives und gehaltvolles Lehrangebot anzubieten. Das scheint recht gut zu gelingen und liegt vor allem daran, dass bei den Lehrenden, den Studierenden und den Mitarbeiter*innen in Wissenschaft und Verwaltung eine sehr hohe Bereitschaft und ein großes Engagement vorhanden ist, die Einschränkungen durch die Corona-Krise nicht nur als Belastung wahrzunehmen, sondern den vorhandenen Gestaltungsspielraum positiv zu nutzen.
"Corona-Krise nicht nur als Belastung wahrnehmen, sondern den vorhandenen Gestaltungsspielraum positiv nutzen"
Welche Herausforderungen bedeutet das digitale Semester für die hsg Bochum und wie kann synchrone Lehre am besten umgesetzt werden?
Dieterich: Es gab diverse Herausforderungen, angefangen bei der erforderlichen Infrastruktur, über die Aufrechterhaltung des Verwaltungsbetriebes bei geschlossenem Hochschulgebäude, bis hin zur Festlegung der Regelungen zur Änderung der Lehr- und Prüfungsformate, um nur einige zu nennen. Wir hatten glücklicherweise an der hsg Bochum bereits eine gute Ausgangslage und beispielsweise schon mehrere Mitarbeiter*innen, die sich intensiv um die Unterstützung der digitalen Lehre bemühen und Lehrende bei der Gestaltung unterstützen. Die Anrechnungsmöglichkeiten digitaler Lehrformate war bereits vorher schon gegeben und die IT-Infrastruktur auf einem guten Stand. Das ist uns im Rahmen der Peer-to-Peer Strategieberatung des Hochschulforums Digitalisierung bei ihrem Besuch an der hsg Bochum im Februar auch durch einen externen Blick noch einmal bestätigt worden. Wir haben darüber hinaus nach Beginn der Corona-Krise die erforderlichen formellen Regelungen für einen nahezu vollständigen digitalen Semesterbetrieb getroffen und beispielsweise noch zusätzliche Mittel für eTutor*innen zur Verfügung gestellt und in Tools zur Durchführung von Videokonferenzen investiert.
Die Gestaltung der synchronen Lehre, also wenn Lehren und Lernen zeitgleich stattfindet, ist insbesondere dann wichtig, wenn Interaktion und Kollaboration bei der gemeinsamen Erarbeitung von Inhalten oder Anwendungsaufgaben gefragt ist. Das ist vor allem bei Seminaren und Übungen gut machbar. Für die reine Wissensvermittlung oder Präsentation von Inhalten, wie dies eher in Vorlesungen der Fall ist, können auch gut asynchrone Formate angeboten werden. Diese bieten die zusätzliche Chance, die Lehrangebote für die Studierenden flexibler anbieten und besser mit ihren individuellen Lebensumständen in Einklang bringen zu können. Letztlich bietet eine sinnvolle Kombination asynchroner und synchroner Lehre gute Voraussetzung dafür, dass die Lernziele dann auch erreicht und die Prüfungen gut vorbereitet werden können.
Welche Rückmeldungen gibt es von Lehrenden und Studierenden auf die digitalen Lehrformate?
Dieterich: Vor Beginn des Vorlesungsbetriebes war die Umstellung sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle von einer allgemeinen Unsicherheit begleitet, wie es weitergehen soll. Das hat sich aber mit der Erfahrung, dass das Semester nun läuft, sicherlich deutlich gelegt. Vor dem Hintergrund, dass alle in diese Situation gekommen sind ohne sich darauf wirklich vorbereiten zu können, ist das Verständnis für die Herausforderungen der jeweils anderen Beteiligten meinem Eindruck nach recht hoch. Es wird daher vermutlich nicht erwartet, dass alles sofort perfekt läuft und anerkannt, dass wir uns alle gerade in einem intensiven Lernprozess befinden. Wir werden die Erfahrungen natürlich auch systematisch erheben und dann mit allen Beteiligten auswerten, wie eine Weiterentwicklung der digitalen Lehrformate aussehen sollte.