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Foto: Nicole Mittendorf

Vom Logopädie-Studium in den spannenden Praxisalltag

5. Juli 2024

Chiara Wegge hat im vergangenen Semester ihr Bachelorstudium der Logopädie an der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum abgeschlossen und direkt im Anschluss ihre erste Stelle in einer Dortmunder Praxis für Logopädie angetreten. Chiara Wegge: „Die Nachfrage nach Logopäd*innen ist groß. Es muss sich niemand Gedanken machen, nach dem Studium ohne Job da zu stehen. Ich selbst erhielt meine Zusage für die Stelle als Logopädin bereits ein halbes Jahr vor Ende des Studiums.“ Im Interview berichtet Chiara Wegge unter anderem über ihr Studium und den Berufseinstieg als Logopädin.

Wieso haben Sie sich für ein Studium der Logopädie entschieden?

Chiara Wegge: Das war kein direkter Weg. Ich wusste, dass Deutsch eins meiner Lieblingsfächer in der Schule ist, ich mich für die Sprache begeistere und im sozialen Bereich arbeiten möchte, am liebsten mit Kindern. Außerdem merkte ich in der Vorbereitung auf die Abiturprüfungen, dass ich gerne lerne und an mein Abitur ein Studium anschließen möchte. So schrieb ich mich zuerst an einer Universität für den Bachelorstudiengang Lehramt an Grundschulen ein und besuchte dort unter anderem Module zur Einführung in die Sprachwissenschaft. Ich kannte die logopädische Arbeit aus dem privaten Bereich und als ich hörte, dass die Fachdisziplin als Studium angeboten wird, war mir sofort bewusst, dass dies der perfekte Studiengang für mich ist. So begann ich das Studium der Logopädie an der HS Gesundheit. Bei der Logopädie steht die Sprache neben dem Sprechen, der Stimme, dem Hören und dem Schlucken im Fokus. Logopäd*innen behandeln Menschen aller Altersstufen, zum Beispiel Kinder und Jugendliche mit sogenannten Sprachentwicklungsstörungen, aber auch Erwachsene, die aufgrund eines Ereignisses, zum Beispiel eines Unfalls oder einer Erkrankung, plötzlich eines der logopädischen Störungsbilder wie Aphasie oder Dysarthrie aufweisen.

Wie ist das Studium der Logopädie an der HS Gesundheit aufgebaut?

Chiara Wegge: In den Vorlesungen vermittelten uns die Dozent*innen theoretisches Wissen von der Anamnese über die Diagnostik bis hin zu den verschiedenen Therapieansätzen zu allen logopädischen Störungsbildern. Dazu gehörten auch Grundlagen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pädagogik und Linguistik. Ob Atem-, Stimm-, Hör- sowie Schluckbeeinträchtigungen, kindliche Sprach- und Sprechstörungen oder Sprachverluste im Zuge einer Erkrankung beispielsweise im höheren Alter – wir sind allen logopädischen Störungsbildern auf den Grund gegangen. Kombiniert sind die Vorlesungen mit internen Praxisphasen in der hochschuleigenen Lehr- und Forschungsambulanz. Die Räume der Ambulanz sind mit allem ausgestattet, was in der logopädischen Arbeit benötigt wird, wie zum Beispiel Diagnostik- und Therapiematerialien. Außerdem gibt es einen Beobachtungsraum mit einer verspiegelten Scheibe. Dort stellten wir Studierenden regelmäßig in Rollenspielen die Therapiesituationen nach. Dadurch war es uns möglich, praktische Fertig- und Fähigkeiten zu erlernen. Die Dozent*innen des Studiengangs konnten uns dabei beobachten und in der anschließenden Reflexion gezielt anleiten. Nach zwei Jahren wissenschaftlichen Inputs an der Hochschule begann das Praxissemester bei den Kooperationspartner*innen der Hochschule. Ich war drei Monate in einer Rehaklinik und zwei Monate in einer Praxis für Logopädie und konnte im praktischen Alltag in nahezu alle Störungsbilder hineinschnuppern. Fünf Monate, in denen ich intensiv praktische Erfahrungen sammelte, bevor das Staatsexamen zur Logopädin und die Bachelorarbeit anstanden.

Was haben Sie aus dem Studium für sich mitgenommen?

Chiara Wegge: Ich bin durch das Studium zu einem evidenzbasierten Handeln befähigt und therapiere somit auf Grundlage von wissenschaftlichen logopädischen Erkenntnissen. Außerdem lernte ich interprofessionell mit Ergo- und Physiotherapeut*innen zusammenzuarbeiten. Ich kann nur positives über das Logopädie-Studium berichten und würde immer wieder an der HS Gesundheit studieren. Es war ein schönes Miteinander zwischen uns Kommiliton*innen und mit den Dozent*innen. Eine Atmosphäre, in der ich gut lernen konnte. Nicht zuletzt sind sieben einzigartige Freundschaften durch das Studium entstanden. Wir sind alle aus verschiedenen Heimatorten an die HS Gesundheit gekommen und auch wenn wir uns heute nicht mehr so häufig sehen, schloss ich Freundschaften für das Leben.

Wie ging es nach dem Studium weiter?

Chiara Wegge: Mit dem Logopädie-Studium erwarb ich zwei Abschlüsse: Im Juli 2023 absolvierte ich das Examen zur staatlich anerkannten Logopädin, im Februar 2024 erlangte ich den akademischen Grad Bachelor of Science. Nach dem Examen bewarb ich mich zeitnah um eine feste Stelle als Logopädin und wurde schnell fündig. Ich wusste aus meinem Praxissemester, dass ich gerne im ambulanten Setting arbeiten möchte. Der Studienbereich hat uns bei der Stellensuche sehr gut unterstützt. Der Markt für Logopäd*innen ist groß. Logopäd*innen – allgemein Therapeut*innen – werden händeringend gesucht. Ich bewarb mich bei mehreren Praxen und erhielt von allen die Möglichkeit, mich vorzustellen. Entschieden habe ich mich für die Praxis, in der ich mich im Bewerbungsgespräch zwischenmenschlich am wohlsten fühlte. Dort arbeite ich nun seit März 2024, also seit Abschluss des Studiums. Manche Kommiliton*innen traten direkt nach dem Staatsexamen und parallel zum Schreiben der Bachelorarbeit eine Stelle in Teilzeit an. Ich entschied mich bewusst dagegen, weil ich eine praktische Bachelorarbeit auswählte und meinen Fokus darauf legen wollte.

Absolventin Chiara Wegge: „Ich kann nur positives über das Logopädie-Studium berichten und würde immer wieder an der HS Gesundheit studieren.“

Worum ging es in Ihrer Bachelorarbeit?

Chiara Wegge: Um das Forschungsprojekt von Prof. Dr. Andrea Dohmen, Wissenschaftlerin der HS Gesundheit, in dem der Fragestellung nachgegangen wurde, inwiefern Gesten das Erlernen von Wörtern bei Kindern zwischen 2 und 3 Jahren unterstützen können. Ich habe mich sehr gefreut, an solch einer aktuellen Forschungsfrage, die die Logopädie weiterentwickelt, als Studierende mitarbeiten zu dürfen. Für meine Bachelorarbeit war ich zwei Tage die Woche in einer Kindertagesstätte und habe sechs 2- bis 3-jährige Kinder untersucht, die sprachlich altersgerecht entwickelt waren. Die Bachelorarbeit hat mir viel Spaß bereitet. Zugleich war sie aufregend, weil ich das erste Mal als staatlich anerkannte Logopädin mit Kindern zusammenarbeitete. Ich bin Frau Prof. Dr. Dohmen sehr dankbar für ihre Unterstützung und die Möglichkeit, die sie mir damit gab.

Wie war Ihr Berufseinstieg nach dem Studium?

Chiara Wegge: Ich bin mit Respekt an den Berufseinstieg herangegangen. Meine anfängliche Sorge war: Bin ich schon bereit eigenständig Patient*innen zu therapieren? Ich stellte dann im Berufsalltag schnell fest: Das bin ich. Ich kann Menschen professionell und eigenständig behandeln. Ich wusste und es zeigte sich im praktischen Alltag, dass ich durch das Studium bestens vorbereitet bin. Ich habe das Wissen und die praktische Erfahrung, um als Logopädin zu arbeiten. In den ersten Wochen brauchte ich noch mehr Zeit zum Einarbeiten in neue Patient*innenfälle oder für die Vor- und Nacharbeit von Therapiestunden. Heute komme ich mit der Zeit, die auch erfahrene Kolleg*innen dafür einplanen, vollkommen aus. Ich entdecke alle Störungsbilder aus dem Studium wieder. Im Lehrbuch wird jedes Störungsbild getrennt behandelt, in der Realität gibt es auch Patient*innen mit mehreren Störungsbildern, dann gilt es Therapieansätze zu kombinieren. Wenn ich mal eine Frage habe, weiß ich, dass ich mir Rat bei einer Kollegin holen kann. Zusätzlich weiß ich genau, wo ich selbstständig nach aktuellen Studien recherchieren kann, denn auch das lernte ich im Studium. Meine Empfehlung für den Berufseinstieg ist, sich nicht wahnsinnig zu machen. Das Gefühl bei null anzufangen, entsteht aus der anfänglichen Nervosität heraus. Das erlernte Wissen ist verinnerlicht und man lernt schnell, es in der Praxis anzuwenden.

Wie sieht Ihr Berufsalltag heute aus?

Chiara Wegge: Ich behandele Patient*innen zwischen 3 und 90 Jahren. Mit Kindern arbeite ich je nach Störungsbild zum Beispiel an ihrer Aussprache, ihrem Wortschatz oder ihrer Grammatik. Die Therapie wird mit spielerischen Komponenten kombiniert, um die Kinder, die häufig lieber spielen als logopädische Übungen zu machen, zur Mitarbeit zu motivieren und eine Beziehung zu den kleinen Patient*innen aufzubauen. Bei Erwachsenen ist das anders. Sie haben einen anderen Leidensdruck, wenn sie zum Beispiel auf einmal merken, dass Worte, die ihnen immer automatisch und selbstverständlich über die Lippen gingen, sich plötzlich nicht mehr finden lassen. Bei Erwachsenen behandle ich durch neurodegenerative Erkrankungen oder Ereignisse wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hervorgerufene Störungsbilder. Dazu gehören unter anderem die Aphasie und Dysarthrie, also Beeinträchtigungen des Sprachsystems und der Sprechmotorik. Darüber hinaus arbeite ich mit Autisten sowie Menschen mit Downsyndrom zusammen. Die Patient*innen kommen in die Praxis und einen Vormittag in der Woche führe ich Therapien in einem Pflegeheim durch. Mein Arbeitsalltag startet mit Therapievorbereitungen und endet mit Aufgaben der Dokumentation.

Chiara Wegge: „Am Ende ist es ein großartiges Gefühl, das Studium absolviert zu haben und in diesen spannenden Beruf einzusteigen.“

Die Logopädie bietet einen spannenden Praxisalltag, in dem – und das finde ich besonders schön – Kreativität in der Zusammenstellung einer individuellen Therapie gefragt ist. Und natürlich ist es erfüllend, Erfolge zu sehen und Menschen mit seiner Therapie helfen zu können.

Welchen Tipp haben Sie für Studieninteressierte?

Chiara Wegge: Studieninteressierten würde ich vor Studienbeginn ein Schnupperpraktikum empfehlen. Ich habe selbst eins absolviert und es bestärkte mich in meinem Entschluss für das Studium. Mitgeben möchte ich ihnen schon jetzt, sich im Prüfungsstress nicht verrückt zu machen. Es wird bei manch einem vielleicht auch die Frage aufkommen: Wie soll ich das alles schaffen? Es gibt keinen Grund sich zu stressen. Das Studium und auch die Prüfungsphasen sind vom Studienbereich gut organisiert und am Ende ist es ein großartiges Gefühl, das Studium absolviert zu haben und in diesen spannenden Beruf einzusteigen.

Foto: Jürgen Nobel/Grafik: HS Gesundheit
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