Zwischenstopp Amerika
Mitten im Studium eine Pause einlegen und Auslandspraktika absolvieren? Pia Versick hat genau das gemacht. Die Ergotherapie-Studentin der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum nimmt sich eine zweisemestrige Auszeit, hospitiert – neben einem Praktikum an einer Rehaklinik in Österreich – in Amerika in der schulbasierten Ergotherapie und kommt mit einem Koffer voller Erfahrungen zurück. „Ich habe dort einmal mehr gelernt, wie wertvoll ein Studium und evidenzbasiertes Arbeiten ist. In den USA benötigt man zum Beispiel einen Masterabschluss, um überhaupt als Ergotherapeut arbeiten zu dürfen, das verschafft den Therapieberufen dort eine ganz andere Akzeptanz im Vergleich zu Deutschland.“
Bundesstaat Vermont: Pia Versick sitzt in der letzten Reihe eines Klassenraums und macht sich Notizen. Sie hospitiert bei einer Ergotherapeutin, die an einer Schule angestellt ist und beobachtet neben ihr das Verhalten der Kinder im Unterricht. „In den USA ist es üblich, Ergotherapeuten an Schulen zu beschäftigen, sie sind dort Teil interdisziplinärer Teams, zu denen zum Beispiel auch Physiotherapeuten oder Psychologen gehören“, erzählt Pia Versick und erklärt weiter: „In der schulbasierten Ergotherapie geht es darum, Teilhabe im inklusiven Schulalltag zu ermöglichen. Ziel ist ein gemeinsamer Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderung. Es geht darum, Berührungsängste nicht entstehen zu lassen und es jedem Kind zu ermöglichen, bestmöglich in einem Klassenverband zu lernen.“ Pia Versick beobachtet in dem Unterricht zum Beispiel Kinder mit der neurologischen Entwicklungsstörung Autismus wie auch solche, die eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) aufweisen. „Die Ergotherapeuten schauen, was jedem einzelnen Kind fehlt und entwickeln in einem gemeinsamen Austausch mit Lehrer*innen und Schulleiter*innen die Lernwelten so, dass jedes Kind bestmöglich mitgenommen wird. Ein Klassenraum wurde zum Beispiel viel zu bunt gestaltet, die Kinder wurden dort mit Reizen überschüttet“, erinnert sich Pia Versick. Es gehe bei der schulbasierten Ergotherapie um Wertschätzung im Klassenverband, darum, ein Gefühl von Ungleichheit nicht aufkommen zu lassen, sondern Anschluss zu ermöglichen. „Jedes Kind – mit oder ohne Behinderung – soll sich als Teil des Schullebens und des Klassenverbands fühlen.“
Für Pia Versick steckt viel Kreativität und Vielfalt im Tätigkeitsfeld Ergotherapeut*in. „Es ist nicht nur die Arbeit mit Menschen, die mich reizt, sondern vor allem die Arbeit mit immer wieder unterschiedlichen Menschen, die unterschiedliche Behandlungskonzepte verlangen. Als Ergotherapeut*in muss man sich auf verschiedene Menschen einstellen können“, weiß die 23-Jährige. Über eine Freundin, die an der HS Gesundheit Physiotherapie studiert, ist sie auf die Hochschule aufmerksam geworden. „Ich bin absolut froh mit meiner Entscheidung, Ergotherapie an der HS Gesundheit zu studieren, hier wird auf Augenhöhe gelehrt.“ Sie schätzt besonders die praxisnahe Lehre. Neben Vorlesungen und Seminaren besucht Pia Versick vor allem die Skills-Labs, die extra nachgebauten Übungsräume, in der Hochschule regelmäßig. „Es gibt eine komplett eingerichtete Wohnung mit einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, Küche und Bad. Dort können wir Studierenden zum Beispiel erkunden, wo Unfallgefahren für Klient*innen bestehen und welche Hilfsmittel sie wie im Alltag unterstützen könnten. Wir lernen dort viel über das Thema Wohnraumanpassung.“ Ihr Lieblingsort ist jedoch die an der Hochschule eingerichtete Werkstatt. „Vom Töpfern übers Nähen bis hin zum Arbeiten mit Holz – ich bin gerne nach einem langen Vorlesungstag dort und probiere Sachen aus. Die Hochschule stellt dort viele Materialien bereit, die man nutzen kann.“
Studentin Pia Versick: „Ich bin absolut froh mit meiner Entscheidung, Ergotherapie an der HS Gesundheit zu studieren, hier wird auf Augenhöhe gelehrt.“
Zur praxisnahen Lehre gehören auch vier knapp dreimonatige Praktika mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten, die die Studierenden während des Studiums absolvieren. „Es gibt einen großen Pool von unterschiedlichen Kooperationseinrichtungen bei denen eine praktische Studienphase absolviert werden kann. Ich finde, dass die Praktika das Puzzlestück sind, das letztlich alles Erlernte zu einem vollständigen Bild werden lässt. Dort können wir Studierenden das in den Modulen Erlernte einordnen und anwenden. Mir haben die praktischen Einsätze nicht nur viel Spaß gemacht, sondern auch Sicherheit gegeben.“
Das Staatsexamen zur Ergotherapeutin hat Pia Versick bereits bestanden. Noch ein paar wenige Module, dann steht die Bachelorarbeit an. Erste Erfahrungen im wissenschaftlichen Schreiben hat sie bereits gesammelt, denn sie arbeitet neben ihrem Studium als Studentische Hilfskraft am Forschungsprojekt Pepe mit. Das Projekt beschäftigt sich mit der partizipativen Entwicklung von Peer Learning in der Ergotherapie. „Meine ersten Schritte in der Forschung – das Projekt macht richtig Spaß, ich freue mich sehr, dass ich diese Erfahrung bereits machen darf“, erzählt sie begeistert und hat schon weitere Pläne. Demnächst möchte sie parallel zum Studium erste berufliche Schritte in einer Rehabilitationsklinik oder einer ergotherapeutischen Praxis gehen. „Ich denke da an einen langsamen Berufseinstieg mit der Hochschule im Rücken.“
Wo sie später genau arbeiten möchte, da hat sie sich noch nicht gänzlich entschieden, aber am liebsten würde sie in einem interdisziplinären Team eingebunden sein. Über die HS Gesundheit hat sie – neben ihrem Zwischenstopp in den USA –, auch ein Praktikum in einer Rehabilitationsklinik in Österreich absolviert. Dort durfte sie in einem interdisziplinären Team arbeiten und sagt: „Diese Erfahrung möchte ich nicht mehr missen“. An der HS Gesundheit hat sie schon früh mit dem Kontakteknüpfen zu anderen Disziplinen begonnen. Pia Versick lacht und verrät dann: „Ich war da tatsächlich sehr fleißig.“ Erstsemester starten an der HS Gesundheit mit einer Orientierungswoche, mit fachübergreifenden und fachspezifischen Einführungs- und Informationsveranstaltungen. „Ich habe meine zu Studienbeginn tatsächlich genutzt, um Kontakte zu Studierenden anderer Studienbereiche zu knüpfen. Ich kann das nur jedem empfehlen, dafür ist die O-Woche, wie wir sie auch nennen, perfekt“, erzählt Pia Versick und ergänzt: „Für die ganzheitliche Behandlung eines Menschen halte ich es für sehr wichtig, kontinuierlich auch mit anderen Disziplinen im Austausch zu sein.“