Wie können Lebensräume – vielleicht auch rund ums Weihnachtsfest – gestaltet werden, damit Menschen mit Demenz dort besser leben können? – Teil 1 –

Tipps von Prof. Dr. Anne Roll,
Professorin für gerontologische und geriatrische Pflege an der HS Gesundheit

Etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenz leben aktuell in Deutschland. „Bis ins Jahr 2050 werden es Schätzungen zufolge bis zu 2,8 Millionen Menschen sein“, sagt Prof. Dr. Anne Roll. Für Demenzerkrankungen wird eine Vielzahl verschiedener Ursachen beschrieben. „Für die Mehrzahl gibt es derzeit noch keine Therapie, die zur Heilung führt.“ Daher sei es so wichtig, einen Weg zu finden, damit Menschen mit Demenz sich in der Gesellschaft so lange wie möglich gut zurechtfänden. „Demenz ist nicht nur eine gesundheitliche Herausforderung. Demenz ist eine gesellschaftliche Aufgabe, der in den jeweiligen Lebensräumen der Menschen begegnet werden muss.“ Anne Roll rät, bei der Stadtentwicklung Menschen mit Demenz einbeziehen. Als Betroffene. Vor allem aber als Expert*innen. Durch den Austausch schaffe man eine Verbesserung von sozialer Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Demenz. Sie sollen sich aktiv einbringen können – ihre Gedanken, Anliegen, Perspektiven und Empfindungen. „Es sollten demenzsensible, öffentliche Begegnungs- und Verweilräume in Zusammenarbeit mit Menschen mit Demenz geschaffen werden, damit Menschen mit und ohne Demenz zusammenkommen können“, empfiehlt Anne Roll und betont, dass es bereits zahlreiche Initiativen und Projekte gibt, die kulturelle Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen schaffen. „Ein Beispiel ist das Lehmbruckmuseum in Duisburg. Dort gibt es unter anderem ein offenes Atelier für Menschen mit Demenz und ihre Begleiter*innen, in dem künstlerisch mit unterschiedlichen Materialien gearbeitet werden kann.“ Demenzsensible Angebote seien wichtig, aber es brauche grundsätzlich eher menschenfreundliche Lebensräume, in denen Menschen mit verschiedenen Einschränkungen gut zurechtkommen können. Dazu sei es wichtig, dass man den Menschen mit Demenz als Interaktionspartner anerkennt. „Angehörige erleben immer wieder, dass nur sie beim Spaziergang gegrüßt werden, nicht ihr Partner oder ihre Partnerin mit Demenz. Der Mensch mit Demenz sei Luft“, erzählt Anne Roll. Die Integration ins öffentliche Leben müsse fokussiert werden. Wenn der Mensch mit fortschreitender Krankheit seine Orientierung verliere, das Sprechen verlerne, immer mehr überfordert sei mit dem Alltäglichen, müssten die Menschen in seinem Lebensraum ihn auffangen. Anne Roll erzählt von Menschen mit Demenz, die mitten im Winter draußen nur in Hausschuhen unterwegs sind, bei kalten Temperaturen keine Jacke tragen oder den Weg nach Hause nicht mehr zurückfinden. „Der Lebensraum eines Menschen mit Demenz bewegt sich in einem Umkreis von etwa 500 bis 1.000 Metern um seine Wohnung herum. Wichtig ist, dass Menschen aus ihrem Lebensraum sich der Person annehmen und auch wissen wie.“ Beispielsweise der Mensch aus der Nachbarschaft, der Postbote, die Verkäuferin in der Bäckerei. „Falls Sie eine Person sehen, die Orientierungsschwierigkeiten hat, die älter und der Jahreszeit nicht entsprechend angezogen ist, sprechen Sie diese an. Stellen Sie sich vor, fragen Sie gleichzeitig aber auch nach ihrem Namen und ob sie Hilfe benötigt.“ Eine Möglichkeit sei es auch, die Person ein paar Schritte zu begleiten. „Einfache Fragen stellen, ruhig und einfühlsam bleiben, nicht wertend und ungeduldig.“ Aber auch an Schulungen von Mitarbeiter*innen im Einzelhandel und in Dienstleistungen im Umgang mit Menschen mit Demenz denkt Anne Roll. „Wir müssen uns bewusstmachen: Ein Teil des Menschen hat Demenz. Aber es ist immer noch ein Mensch. Und der muss im Mittelpunkt stehen, nicht die Krankheit.“

Lesen Sie morgen Teil 2 ihrer Tipps!

Text: Daniela Schaefer
Foto: Pixabay