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Ein Portraitbild von Logopädin Ina Kimmel.
Foto: Susanne Beimann

Fünf Tipps gegen Stress im Therapiealltag

24. Februar 2022

Für die Studierenden im 5. Semester des Studiengangs Logopädie heißt es aktuell: Raus aus dem Hörsaal, rein in die Praxis. Um sie bestmöglich auf den künftigen Alltag vorzubereiten, absolvieren sie derzeit Praktika bei Kooperationspartnern der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum. Begleitet werden die Einsätze mit Reflexionsseminaren und Workshops. Zum Beispiel am 21. Februar 2022, da hat sich auf Einladung des Studienbereichs Logopädie die externe Referentin Ina Kimmel, selbst Logopädin, Sprechwissenschaftlerin und systemischer Coach, mit den Studierenden über deren Erfahrungen mit Resilienz im Praxissemester ausgetauscht und Tipps an die Hand gegeben.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Resilienz und welche Bedeutung hat er im heutigen Therapiealltag?

Ina Kimmel: Der Begriff Resilienz umfasst die psychische Widerstandsfähigkeit einer Person. Wie gut kann ein Mensch mit Stressoren, Herausforderungen, Krisen umgehen und wie gut kommt er nach einem solchen Ereignis wieder in seinen Ursprungszustand oder – ganz umgangssprachlich erklärt – wie gut kommt er wieder auf die Beine? Stressoren gehören zum Leben dazu, wir werden sie nicht vermeiden können. Die Frage ist, hat der Mensch gelernt, damit umzugehen? Hat er eine Strategie für sich an der Hand, um nicht alles mit nach Hause zu nehmen, keine permanent schlaflosen Nächte zu haben, sondern gesund durch derartige Phasen zu kommen? Genau das haben wir in dem Workshop mit den Studierenden geübt. Patientenschicksale, Zeitdruck, Konflikte im Team – all das können Stressoren sein, womit Resilienz keine unbedeutende Rolle im Therapiealltag spielt. Ein anderes konkretes Beispiel: Ein Patient*in kommt ständig zu spät zum Therapiegespräch. Das kann für den Therapeuten zum Stressor werden. Wichtig ist, das Problem erst einmal als Stressor zu erkennen und sich dann zu fragen, was genau den Stress auslöst. Bringt der Patient*in meinen Zeitplan durcheinander? Oder ist es eine Frage der Wertschätzung? Erst wenn ich mir diese Frage selbst beantwortet habe, kann ich eine Lösung suchen. Diese kann von einer klaren Kommunikation über den Unmut über das ständige Zuspätkommen bis zur Beendigung des Therapieverhältnisses reichen. Wichtig ist: Resilienz im Therapiealltag bedeutet nicht alles passiv zu schlucken, sondern aktiv darauf zu reagieren.

Für wie wichtig halten Sie eine frühe Auseinandersetzung mit dem Thema psychische Gesundheit, auch bereits während des Studiums?

Ina Kimmel: Ich halte es für sehr wichtig, dass die Hochschule das Thema bereits während des Studiums aufgreift und das dankbare Feedback der Studierenden am vergangenen Montag hat das nur bestätigt. Gerade in der Phase der Entwicklung ist es wertvoll, Studierenden – auch durch die Praxiseinsätze – aufzuzeigen, was für Herausforderungen auf sie zukommen können, ihnen aber auch Strategien an die Hand zu geben, wie sie an ihrer Widerstandskraft arbeiten können. Die richtige Strategie für sich herauszufinden, dafür muss jeder Studierende in sich hineinhorchen. Wir nennen das auch arbeiten mit dem „inneren Team“. Dabei stellen wir uns gedanklich vor, wer uns gut durch die herausfordernde Zeit begleiten könnte. Für den einen Studierenden ist es ein Pausenwächter, der mahnt „Mach auch mal eine Pause“. Für den anderen eine Cheerleaderin, die bei Unsicherheit über das eigene Können antreibt und ruft: „Komm mal in die Pötte“. Der offene Austausch mit den Studierenden hat gezeigt, dass das Thema mentale Gesundheit für sie ein wichtiges ist und eine frühe Auseinandersetzung damit hilft nicht nur, gesund in den Beruf zu starten, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, gesund und mit Freude dabei zu bleiben.

Was für Tipps haben Sie für Studierende, die künftig in einem therapeutischen Beruf arbeiten möchten, mit Stressoren umzugehen?

Ina Kimmel: Ich habe fünf Tipps für die Studierenden – und natürlich auch für alle anderen, die mit stressigen Therapiesituationen umgehen müssen:

  1. Proaktive Haltung trainieren: Den Stressor, die Herausforderung, die Krise nicht wegschieben, sondern sich eingestehen und proaktiv damit beschäftigen. Ja, es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Aber es finden sich immer auch Stellschrauben, an denen wir mindestens im kleinen Bereich drehen können.
  2. Den Austausch suchen: Sich zu trauen, mit Bezugspersonen wie einer Praxisanleiterin oder auch in kleinen Gruppen unter Studierenden über die Sorgen, Ängste aber auch Erfahrungen zu sprechen, kann helfen zu erkennen, dass man nicht alleine mit den Sorgen ist, dass es anderen ähnlich ergeht. Wichtig ist dabei, nicht in einer Sorgenschleife zu bleiben, sondern den Sorgen Raum zu geben, aber vor allem auch gemeinsam zu überlegen, was gegen sie helfen kann.
  3. Den Dingen Zeit geben: Nicht die Erwartung an sich selbst aufbauen, dass alles, was man erlebt, wie Teflon von einem abprallt. Das wird nicht passieren. Wir lernen vielmehr mit der Zeit, auch mit den Dingen umzugehen. Das ist ein Lern-, Erfahrungs- und auch ein Prozess des Reinwachsens.
  4. Energiefresser vs. Energiegeber: Was tut mir selbst gut, um gesund und mit Freude den Therapieberuf ausüben zu können? Brauche ich nach einer Therapiestunde, die mir naheging, erst einmal einen Spaziergang an der frischen Luft? Oder eher das Gespräch mit erfahrenen Kolleg*innen? Und welches Hobby hilft mir nach dem Arbeitstag den Kopf frei zu bekommen?
  5. Rückblicke wagen: Immer mal wieder einen stolzen Blick darauf werfen, welche kleinen und großen Herausforderungen man in der Vergangenheit gemeistert hat und sich erinnern, was einem damals geholfen hat. Mut? Klarheit im Kopf? Welche Stärke es auch war, man sollte sich bewusstmachen, dass man sich darauf auch bei der nächsten Herausforderung verlassen kann und man in der Lage ist, sie wieder abzurufen.
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