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Das Bild zeigt Prof. Dr. Tanja Segmüller.

Pflege im rechtsfreien Raum

26. August 2019

Die Rechte von Patient*innen sind seit 2013 in kompakter und transparenter Form im sogenannten Patientenrechtegesetz gebündelt. Doch das Gesetz hat eine entscheidende Lücke, sagt Prof. Dr. Tanja Segmüller, Sprecherin der Sektion ‚Beraten, Informieren, Schulen‘ bei der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) und Professorin für Alterswissenschaften an der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum): Es gilt nur für Ärzte und Heilpraktiker. Pflegende und andere Heilberufe werden in dem Gesetzestext ausgespart – ein großer Fehler wie die Pflegeexpertin sagt. Im hsg-magazin erzählt Segmüller, warum eine Integration der Pflegeberufe in das Patientenrechtegesetz so wichtig wäre.

„Das Patientenrechtegesetz regelt aktuell alle Rechte eines Patienten gegenüber dem behandelnden Arzt. Es enthält unter anderem das Recht auf eine verständliche und umfassende Aufklärung vor der Behandlung und gibt dem Patienten das Recht auf Einsicht in die eigene Akte. Es ermöglicht die freie Arztwahl und schreibt vor, dass die angewendete Behandlung den gesetzlich vorgeschriebenen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen genügen muss. Außerdem regelt das Gesetz die medizinische Schweigepflicht und gibt einem das Recht, in einer Patientenverfügung über lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahmen zu entscheiden. Im Ernstfall eines Behandlungsfehlers gibt es außerdem an, wer in der Beweispflicht steht und welche Rechte und Pflichten die beiden Parteien in diesem Fall haben. Insgesamt schützt und stärkt dieses Gesetz also die Position von Patient*innen gegenüber denjenigen, die sie behandeln.

Allerdings sind im Patientenrechtegesetz mit dem Begriff ‚Behandelnde‘ nur Ärztinnen und Ärzte gemeint. Diese Definition ist jedoch deutlich zu eng gefasst. Auch alle anderen Angehörigen eines Heilberufes, die eine entsprechende Ausbildung oder ein Studium nachweisen können und deren Tätigkeit insbesondere durch die Arbeit am bzw. mit Patient*innen geprägt ist, sollten unter den Begriff ‚Behandelnde‘ gezählt werden, so wie es in anderen Fällen längst üblich ist. Denn im Alltag werden Patient*innen nicht nur von Ärztinnen und Ärzten behandelt, sondern auch von beruflich Pflegenden, von Hebammen, Phsyio- und Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen und weiteren Vertreter*innen der sogenannten Heilberufe.

Patientenversorgung nicht nur durch Ärzt*innen

Besonders den Pflegeberufen kommt in der täglichen Arbeit eine tragende Rolle zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung von Patient*innen in unterschiedlichen Behandlungssituationen zu. Sie versorgen sowohl akut Kranke als auch Menschen mit Behinderung sowie hilfe- und pflegebedürftige Menschen und Sterbende. Diese Menschen sind zweifellos Leistungsempfänger*innen von Versorgungs- und Unterstützungsangebote des nationalen Gesundheitswesens, also Patient*innen. Von allen Heilberufen sind die Pflegende zudem die größte Berufsgruppe und sie haben den dichtesten Kontakt zu Patient*innen. Selbstredend müssen professionell Pflegenden dabei vielgestaltige Rechtsansprüche in ihren verschiedenen Versorgungsbereichen gegenüber den Leistungsempfängern gewährleisten. Und doch ist gerade die Berufsgruppe der Pflegenden nicht im Patientenrechtegesetz eingeschlossen.

Die Folge dieser Ausgrenzung ist, dass die Versorgung von Patient*innen durch Pflegende in Deutschland im rechtsfreien Raum erfolgt und die im Patientenrechtegesetz festgeschriebenen Rechtsansprüche in der Arbeit von Pflegenden nicht gewährt werden. Und das nur, weil es sich bei den »Behandelnden« nicht um Mediziner handelt. Im Sinne einer bestmöglichen Patientensicherheit ist die explizite Integration aller Heilberufsangehörigen für deren Aufrechterhaltung unumgänglich!

Wenn die Berufsgruppe Pflege in das Patientenrechtegesetz aufgenommen würde, würde dies außerdem das Bewusstsein der Berufsgruppe dafür stärken, dass sie die Verantwortung für Rechte ihrer Patient*innen mittragen und somit auch die Patientensicherheit stärken. Außerdem wäre eine Integration der Pflegenden in das Patientenrechtegesetz ein erster Schritt, um eine partizipativ ausgerichtete, integrierte Versorgungsstruktur im Sinne einer organsierten Behandlungskette über das lebensverlaufsspezifische Kontinuum an Gesundheits- und Versorgungsbedürfnisse von Patient*innen einzurichten.“


Weitere Informationen zu diesem Thema lassen sich in der Stellungnahme zum Patientenrechtegesetz der Sektion „Beraten, Informieren, Schulen“ (BIS) der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DPG) sowie einem Eckpunktepapier der Sektion BIS der DGP zum Patientenrechtegesetz nachlesen.


Text: Prof. Dr. Tanja Segmüller, Professorin für Alterswissenschaften an der hsg Bochum. Der Text erschien am 26. August 2019 im hsg-magazin.

Aufmacher: Zu sehen ist Tanja Segmüller. Foto: hsg Bochum

Prof. Dr. Nicola Bauer
Foto: hsg Bochum
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