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Julia Sprick (im Bild rechts) ertastet im Januar 2019 die Kindslage bei der schwangeren Miriam Yenmez-Ongsiek. Foto: hsg Bochum

Praktische Prüfungen für Hebammenstudierende

17. Mai 2019

Das Interprofessionelle Gesundheitszentrums (InGe) der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) soll verstärkt Bürger*innen der Stadt Bochum und der Region offen stehen. Von Informationsangeboten zum Thema Diabetes bis zur Patientenverfügung reicht das Angebot an Veranstaltungen. Das InGe wird aber auch für Teile der praktischen Prüfungen in der akademischen Hebammenausbildung genutzt.

Julia Sprick tastet im Januar 2019 behutsam am oberen Bauch der schwangeren Frau. Miriam Yenmez-Ongsiek ist im neunten Monat schwanger und fragt, ob hier wohl ein Füßchen zu fühlen sei. Julia Sprick ermuntert sie, selbst einmal zu fühlen. „Ja, das ist ein kleiner Fuß“, bestätigt die 23-jährige Studentin. Soeben hatte Julia Sprick, die im Wintersemester 2018/2019 im siebten Semester im Bachelor-Studiengang Hebammenkunde an der hsg Bochum studiert, einen Teil ihrer praktischen Prüfung im Rahmen ihrer Berufszulassung absolviert. Nun nimmt sich die Studentin die Zeit, diese Prüfung mit einer anderen Schwangeren noch einmal nachzustellen für eine Berichterstattung samt Bebilderung im hsg-magazin.

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In diesem Teil der praktischen Prüfung ging es um das Thema ‚Schwangerenuntersuchung‘. Die ‚Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen und Entbindungspfleger‘ (HebAPrV) sieht vor, dass der gesamte praktische Teil der Prüfung vier Aufgaben enthält; eine davon ist die ‚Aufnahme einer Schwangeren und Dokumentation der erhobenen Befunde mit Erstellung eines Behandlungsplanes‘.

Um diesen Teil der Prüfung ging es am 15. Januar 2019 an der hsg Bochum. Im Interprofessionellen Gesundheitszentrum (InGe) der Hochschule fanden in der Zeit vom 9. bis zum 15. Januar 2019 insgesamt 35 solcher Prüfungen statt. Hierzu hatte der Studienbereich Hebammenwissenschaft zahlreiche Schwangere gebeten, die Studierenden bei ihren Prüfungen zu unterstützen. Denn in den praktischen Prüfungen der HebAPrV geht es um reale Schwangere, Wöchnerinnen und Neugeborene. Es fanden sich 24 Schwangere, die bereit waren, an diesen Prüfungen an der Hochschule auf dem Gesundheitscampus in Bochum mitzuwirken. So konnten 35 Studentinnen vor den Augen der zwei Prüfer*innen den Aufgabenblock ‚Schwangere aufnehmen‘ erfüllen.

Alle vier Prüfungsteile der Berufszulassung werden von mindestens zwei Fachprüfer*innen abgenommen und benotet. Die ‚Aufnahme einer Schwangeren‘ dauert etwa zwei Stunden. Der zweite Aufgabenteil der praktischen Prüfung lautet ‚Durchführung einer Entbindung mit Erstversorgung des Neugeborenen und Dokumentation im Einverständnis mit der Schwangeren‘. Diese so genannte Examensgeburt hatte Julia Sprick bereits Ende November 2018 absolviert.

„Ich hatte Glück, bei mir dauerte die Prüfung nur drei Stunden. Nachdem ich die Gebärende bereits zu Beginn meines Frühdienstes unter den Wehen betreut hatte, begann meine Prüfung, als die Prüferin aus Bochum eintraf. Eine Stunde später war das Kind schon da“, erzählt die Studentin von der Prüfungssituation im Evangelischen Krankenhaus Lippstadt. Alle vier Teile der praktischen Prüfung insgesamt sollten die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten.

"Eine Stunde später war das Kind schon da." (Julia Sprick)

3.000 Praxisstunden umfasst die akademische Ausbildung

Insgesamt arbeitete Julia Sprick im Rahmen ihres Studiums – genauso wie auch alle werdenden Hebammen, die an einer Berufsfachschule absolvieren – 3.000 Stunden lang in der Praxis in insgesamt drei verschiedenen Einrichtungen, die mit der hsg Bochum kooperieren. „So habe ich in einem Geburtshaus und zwei großen Kliniken gearbeitet“, erzählt Sprick.

Im Rahmen der Prüfung ‚Schwangerenaufnahme‘ im InGe geht es zunächst darum, dass die Studierenden ein Anamnesegespräch mit der Schwangeren führen. Dabei klären sie unter anderem, welche Krankheiten die Frau eventuell selbst durchlebt hatte und ob sie bereits operiert wurde. Ist es die erste Schwangerschaft und wie verläuft sie? Dann erfolgt eine körperliche Untersuchung. „Hier werden typische hebammenspezifische Untersuchungen, wie das Ertasten der Kindslage und das Abhören der Herztöne durchgeführt“, erklärt Julia Sprick.

„Ideale Räumlichkeiten im InGe“

„Das InGe bietet ideale Räumlichkeiten, um einzelne praktische Anteile der staatlichen Prüfungen im Bachelor-Studiengang Hebammenkunde durchzuführen, die für die Berufszulassung wichtig sind“, betont InGe-Geschäftsführer Stefan Palmowski und setzt hinzu, dass auch die anderen Studiengänge dort ideal Prüfungen abhalten können. Das Interprofessionellen Gesundheitszentrum ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der hsg Bochum, die hochschulische Aufgaben der Lehre und Forschung mit Angeboten zur Gesundheitsversorgung kombiniert. Die ersten der rund 20 Räume im InGe konnten im Frühjahr 2018 zum Beispiel für Informationsveranstaltungen und für praktische Übungen der Physio-, Ergotherapie und Hebammenkunde genutzt werden.

Stefan Palmowski ist Geschäftsführer des Interprofessionellen Gesundheitszentrum (InGe) der hsg Bochum. Er sagt: „Studierende müssen früh unter realen Bedingungen lernen – im InGe können sie das in einem geschützten Rahmen.“ Foto: hsg Bochum/Anna Knaup

Bevor die InGe-Räumlichkeiten genutzt werden konnten, fanden die Prüfungen extern statt. „Diese Prüfungstermine bei unseren Kooperationspartner*innen durchzuführen, also zum Beispiel in Kliniken, bedeutete für die Einrichtungen, Wissenschaftler*innen und Prüfer*innen einen hohen organisatorischen Aufwand. Es bietet für uns viele Vorteile, jetzt die eigenen Räumlichkeiten im InGe nutzen zu können“, erklärte Prof. Dr. Nicola Bauer, Leiterin des Studienbereichs Hebammenwissenschaft an der hsg Bochum, und fügte hinzu: „Wir können im InGe für alle Studierenden einheitliche Prüfbedingungen ohne störende Einflüsse von außen gewährleisten. Das ist ein großes Plus.“

Die hsg-Studierenden haben vor der Prüfung die Gelegenheit, die Räume kennenzulernen, damit sie in der Prüfung wissen, welche Materialien sie wo finden. Die Räume werden so eingerichtet, wie es in einer Hebammenpraxis üblich ist. „Die heutige Prüfung habe ich als realistische Prüfungssituation empfunden und dabei nicht darüber nachgedacht, dass ich im InGe bin“, sagt Julia Sprick.

Im Eingangsbereich des InGe wurden Getränke, Plätzchen und Äpfel bereitgestellt. Die Schwangeren sollen sich wohl fühlen.

"Beitrag zur guten akademischen Hebammenausbildung leisten“ (Stefan Palmowski)

„Viele werdende Mütter haben während ihrer Schwangerschaft die Bedeutung einer guten Betreuung durch Hebammen erfahren und sind häufig gerne bereit, sich an der Prüfung zu beteiligen und einen Beitrag zu einer guten akademischen Hebammenausbildung zu leisten“, weiß Stefan Palmowski.

Der Studienbereich Hebammenwissenschaft befördert über das Projekt ‚Studierende lernen von Schwangeren‘, in dem sich schwangere Frauen mit hsg-Studierenden treffen, um sie an ihrem Erleben der Schwangerschaft teilhaben zu lassen, bereits regelmäßige Kontakte zwischen den schwangeren Frauen und den Studierenden. Diese Schwangeren werden natürlich auch gefragt, ob sie bei den praktischen Prüfungen dabei sein möchten. Weiterhin sucht die hsg Bochum über Flyer, die insbesondere in Hebammenpraxen und über ihre Kooperationspartner*innen verteilt werden, kontinuierlich nach freiwilligen Schwangeren, die zur Hochschule auf dem Gesundheitscampus kommen.

Auch die schwangere Miriam Yenmez-Ongsiek hatte im Januar 2019 bei zwei praktischen Prüfungen mitgewirkt. Heute, am 15. Januar 2019, stellt sie gemeinsam mit Julia Sprick das, was im Rahmen der Prüfung von den schwangeren Frauen und den Studierenden abverlangt wird, noch einmal für das Foto-Shooting nach. Sie will helfen, zu zeigen, was hier an der hsg Bochum passiert, was Studierende lernen und wie Schwangere dabei miteinbezogen werden können.

Im September 2018 hatte eine Freundin ihr von dem Projekt ‚Studierende lernen von Schwangeren‘ erzählt und Yenmez-Ongsiek hat sich sofort angemeldet. „Es macht mich stolz, etwas dazu beizutragen, dass junge Menschen, die sich in der akademischen Ausbildung befinden, etwas beigebracht wird“, sagt die Sozialpädagogin, die in Bochum arbeitet. Von ihrem Erlebnis der Schwangerschaft habe sie gern den Studentinnen monatlich berichtet. Das letzte Gespräch fand Ende Dezember 2018 statt. Sie habe gern beim Erkenntnisprozess der Studierenden geholfen.

Miriam Yenmez-Ongsiek kennt auch Hebammen, die „zum Teil noch auf alte Geburtspositionen hinweisen. Hier an der hsg Bochum lässt sich eine neue Generation von Hebammen ausbilden und genau die möchte ich unterstützen“, fasst sie ihre Haltung klar zusammen und macht damit deutlich, dass sie die Bedeutung der Evidenzbasierung in der Hebammenarbeit schätzt.

Diese akademische Ausbildung der Hebammen und Entbindungspfleger wollte Miriam Yenmez-Ongsiek unterstützen. Als sie gefragt wurde, ob sie auch bei den praktischen Prüfungen mitwirken würde, sagte sie zu. „Ich bin gesundheitlich fit und möchte etwas von den guten Erfahrungen, die ich gemacht habe, zurückgeben“, sagt die werdende Mutter. Mitte Januar 2019 blickte sie mit Zuversicht auf ihre in Herdecke geplante Entbindung und sagt: „Ich schätze am Hebammenkreißsaal des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke, dass dort die Philosophie der natürlichen Geburt verfolgt wird.“

"Ich möchte etwas zurückgeben" (Miriam Yenmez-Ongsiek)

Anfang Februar 2019 brachte Miriam Yenmez-Ongsiek einen Jungen im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke zur Welt. Von der hsg Bochum ist sie nun zu einem Dankeschön-Nachmittag eingeladen, der am 20. Mai 2019 für die Frauen gestaltet wird, die am Projekt ‚Studierende lernen von Schwangeren‘ teilgenommen haben. Und vielleicht bringt sie ihren Sohn mit in die Hochschule, damit ihn auch die Studentinnen kennenlernen können.

Julia Sprick, Studentin an der hsg Bochum. Foto: hsg Bochum/Christiane Krüger
Im März 2019 hat Julia Sprick ihre Berufszulassung als Hebamme erhalten. Im nächsten Semester folgt voraussichtlich der Bachelor-Abschluss. Foto: hsg Bochum/Christiane Krüger

„Nach der Berufszulassung werde ich im achten Semester erst meine Bachelor-Arbeit schreiben und anschließend als Hebamme arbeiten“, war sich Julia Sprick im Januar 2019 sicher. Ihre Berufszulassung erhielt sie dann im März 2019. Ihre schriftlichen Prüfungen dafür waren im Oktober 2018 und die mündlichen Prüfungen Ende Januar 2019. Beim Dankeschön-Nachmittag im Mai 2019 kann sie dann einige junge Mütter und ihre Babys treffen und sich mit den Frauen über ihre Geburts-Erfahrungen unterhalten.


Text: Dr. Christiane Krüger, Leiterin des hsg-magazins. Der Artikel erschien am 17. Mai 2019 im hsg-magazin.

Das Aufmacherbild zeigt Julia Sprick (im Bild rechts) beim Abtasten der Kindslage bei der schwangeren Miriam Yenmez-Ongsiek. Mitte Januar 2019 war sie im neunten Monat schwanger. Foto: hsg Bochum/Christiane Krüger

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