
Schließt Partner*innen nicht von der Geburt aus!
‚Väter im Kreißsaal unerwünscht‘, ‚Ausgeschlossen von der Geburt‘ oder ‚Besuchsverbot in Krankenhäusern – Papa verpasst die Geburt‘ – aktuell sind die Zeitungen voll von Schlagzeilen, die davon berichten, dass sich einige Krankenhäuser aufgrund der COVID-19-Pandemie dazu entschieden haben, Begleitpersonen von der Geburt auszuschließen. Die beiden Hebammenwissenschaftlerinnen der hsg Bochum, Prof.in Dr. Nicola H. Bauer und Angela Rocholl, haben sich für das hsg-magazin die Studienlage zu diesem Thema einmal genauer angesehen.
„Mittlerweile ist die Anwesenheit von Partner*innen beziehungsweise anderen Bezugspersonen im Kreißsaal ganz normal – das war aber nicht immer so. Erst in den 1960er- Jahren begann unter den Geburtshelfer*innen vermehrt die Diskussion über die Teilnahme und den Einbezug des werdenden Vaters am Geburtsgeschehen. Seitdem wurden viele Studien zur Anwesenheit von Vätern bei der Geburt durchgeführt. Trotzdem sind längst noch nicht alle Aspekte in der Dynamik zwischen Gebärender und einer Begleitperson im Kreißsaal erforscht.

Fokus auf die Sicht der Väter
Meist stehen die Beweggründe werdender Väter, warum diese bei der Geburt dabei sein möchten, im Fokus der Untersuchungen: Die beiden Geburtsmediziner*innen Kai Bühling und Obaida Awad haben beispielsweise im Jahr 2011 im Rahmen einer Studie an der Charité Berlin untersucht, aus welchen Gründen die werdenden Väter mit zur Geburt gingen. Dabei lag der Fokus auf dem positiven Einfluss auf die Partnerin vor dem Interesse am Geburtsvorgang und der gemeinsamen Bewältigung von schwierigen Situationen. Negative Auswirkungen auf das Sexualleben sahen nur wenige Väter. Sie hoben vielmehr die positiven Effekte einer aktiven Einbindung auf eine enge emotionale Bindung hervor. Väter von der Geburt auszuschließen, bedeutet daher im Umkehrschluss, ihnen die Möglichkeit zu nehmen, die Bindung zu ihrer Partnerin und zu dem Neugeborenen durch dieses gemeinsame Erlebnis zu stärken.
In mehreren Studien wurde von den befragten Vätern das Phänomen beschrieben, die Zeit im Kreißsaal zwischen gefühlter Unsicherheit und Hochgefühl zu erleben. Dabei fanden die Forscher*innen heraus, dass das jeweilige Empfinden der Befragten vom Grad des Einbezugs durch die Hebamme in der Situation und kontinuierliche Informationen über den Geburtsstatus abhing. Außerdem wünschten sich die Väter eine besser auf sie abgestimmte Vorbereitung auf die Geburt. Dies ergab auch eine Studie der beiden Hebammenwissenschaftlerinnen Asa Premberg und Ingela Lundgren aus dem Jahr 2006.
Viele Fragen sind noch offen
In einer schwedischen Studie der Hebammenwissenschaftlerinnen Margareta Johansson und Li Thies-Lagergren aus dem Jahr 2015 wurden Väter befragt, welche Bedeutung die Geburtsposition auf ihr eigenes Erleben der Geburt hatte. In den Ergebnissen wurde ersichtlich, dass die Väter sich bei aufrechten Geburtspositionen ihrer Partnerinnen besser in das Geschehen integriert fühlten und ein positiveres Empfinden hatten.
Es gibt aber auch Bereiche rund um das Thema Begleitpersonen bei der Geburt, die noch nicht hinreichend erforscht sind. So gibt es beispielsweise keine Studien zu der Frage, ob die Anwesenheit einer vertrauten Begleitperson auf die Dauer der Geburt, das kindliche Outcome – also wie es dem Kind nach der Geburt geht – oder den Gebrauch von Schmerzmitteln unter der Geburt auswirkt. Auch wird bei genauerer Literaturrecherche deutlich, dass neuere partnerschaftliche Konstellationen noch nicht in den wissenschaftlichen Fokus genommen worden sind. Bis die Dynamik zwischen Gebärender und Partner*in bei der Geburt genau verstanden ist, ist demnach noch ein großes Stück Forschungsarbeit nötig.“
Literaturverzeichnis
Awad, O.; Bühling, K. (2011): Väter im Kreißsaal: Ergebnisse einer Umfrage. In: Geburtsh Frauenheilk 71 (06), S. 511–517. DOI: 10.1055/s-0031-1279987.
Bondas-Salonen, Terese (1998): How Women Experience the Presen Bondas-Salonen, Terese ce of their partners at the births of their babies. In: Qualitiy Health Research 8 (6), S. 784–800.
Chapman, L. (1991): Searching: expectant fathers‘ experiences during labor and birth. In: The Journal of Perinatal & Neonatal Nursing 4 (4), S. 21–29. DOI: 10.1097/00005237-199103000-00006.
Johansson, Margareta; Thies-Lagergren, Li (2015): Swedish fathers‘ experiences of childbirth in relation to maternal birth position: a mixed method study. In: Women and birth : journal of the Australian College of Midwives 28 (4), e140-7. DOI: 10.1016/j.wombi.2015.06.001.
Ngai, Fei-Wan; Xiao, Xiao (2020): Perceptions of paternal involvement and labour pain management in Chinese couples during childbirth: A qualitative study. In: Women and birth : journal of the Australian College of Midwives. DOI: 10.1016/j.wombi.2020.03.003.
Premberg, Asa; Lundgren, Ingela (2006): Fathers‘ Experiences of Childbirth Education. In: The Journal of Perinatal Education 15 (2), S. 21–28. DOI: 10.1624/105812406X107780.
Ramsauer, Brigitte Sabine (2017): Die Bedeutung des Vaters in der frühen Kindheit: Folgerungen für die Mutter-Kind-Behandlung. In: Psychotherapie Forum 22 (3), S. 41–47. DOI: 10.1007/s00729-017-0096-9.
