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Rezension: ‚Kranke Pflege – Gemeinsam aus dem Notstand‘

25. Oktober 2019

Nachdem der Pflege-Azubi Alexander Jorde 2017 in der Fernsehsendung ARD-Wahlarena eloquent mit Angela Merkel über die Situation des deutschen Pflegesystems sprach, wurde er durch die Medienlandschaft schnell zu einer ‚Stimme seiner Berufsgruppe‘ ernannt. In seinem ersten Buch „Kranke Pflege. Gemeinsam aus dem Notstand“ nimmt Jorde nun diesen Faden auf und widmet sich ausführlich der Problemstellung und einigen Lösungsansätzen gegen den Pflegenotstand. Tanja Segmüller, Alterswissenschaftlerin an der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum), hat sich das Buch genauer angesehen und verrät, ob und für wen sich das Lesen lohnt.

Direkt zu Beginn seines Buches macht Alexander Jorde klar, wie schlimm es seiner Meinung nach um die Situation der Gesundheits- und Krankenpflege in Deutschland steht. Er bedient sich dabei der Worte des deutschen Sozialarbeiters Claus Fussek, wonach es so wirke, als ob die Politik beim Thema Pflege versuche „einen Waldbrand mit einer Wasserpistole zu löschen“. Anhand seiner eigene Biographie und Erfahrungen macht Jorde deutlich, dass es sich bei der Pflege von Patient*innen um eine Tätigkeit handelt, die nur nach einer fundierten Ausbildung richtig ausgeführt werden kann.

Jorde zitiert im weiteren Verlauf Studien, die zeigen, dass die Berufszufriedenheit der Pflegenden – auch im Vergleich zu anderen Ländern – in Deutschland gering ist und Pflegende im Durchschnitt nach 7,5 Jahren den Beruf verlassen.  Er zeigt den Zusammenhang zwischen Komplikationen und Todesfällen und zu wenig Pflegende im Krankenhaus auf. Als Gründe nennt er hier vor allem die Deckelung der Krankenhausausgaben seit 1993 und die Einführung der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG’S) ab dem Jahr 2003.

Im Anschluss begibt sich Jorde auf die Suche nach dem Verantwortlichen für die Misere und zeigt anhand von Beispielen aus anderen Ländern auf, wie es bessergehen kann. Auch eigene Lösungsansätze für das deutsche Pflegesystem finden Platz in dem Erstlingswerk. Herr Jorde appelliert in seinem Buch auch an die eigene Berufsgruppe, sich politisch zu beteiligen. Wichtig sei, dass Pflegende nicht mehr ständig einspringen und so den Mangel kompensieren. Und die Pflegeverbände sollten nicht gegeneinander arbeiten, sondern gemeinsam versuchen, die Selbstdarstellung und das gesellschaftliche Bild der Pflege zu verbessern, so Jorde. Er wünscht sich, dass in den Medien die positiven Facetten des Pflegeberufes gezeigt werden und ein Gesellschaftsdienst für alle jungen Menschen eingeführt wird.

Insgesamt handelt es sich um ein politisches Buch, in dem eine fundierte Beschreibung der IST – Situation in der Pflege stattfindet. Es werden aber keine neuen Thesen, die nicht vorher schon in anderen Publikationen beschrieben wurden, benannt.

Das Buch kann für Leser ein Einstieg ins Thema Pflegenotstand sein und jungen Menschen den Anstoß geben sich für die Pflegeberufe zu engagieren. Vielleicht erleben wir dann nicht nur Demos für Klimaschutz (Fridays for Future), sondern auch Demos für menschenwürdige Pflege zum Beispiel ‚Mondays for Care‘, da alle Menschen irgendwann in ihrem Leben auf kompetente und zugewandte Pflege angewiesen sind.


Buchtitel: Alexander Jorde, Kranke Pflege – Gemeinsam aus dem Notstand, Tropen Verlag Stuttgart, 2019


Rezension: Prof. Dr. Tanja Segmüller, Professorin für Alterswissenschaften an der hsg Bochum. Der Text erschien am 25. Oktober 2019 im hsg-magazin. Foto: pixabay