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Zu sehen ist Katja Ehrenbrusthoff in einem Raum an der Hochschule für Gesundheit
Foto: HS Gesundheit

Dem Leben immer wieder einen neuen Dreh geben

8. September 2021

Wenn Prof. Dr. Katja Ehrenbrusthoff von ihrer Arbeit erzählt, spürt man in jeder Silbe, wie sehr sie dafür brennt, mit welchem Elan sie andere daran teilhaben lassen möchte und welche Freude ihr die daraus entstandene akademische Laufbahn macht. Mit dieser Begeisterung hat sie in den letzten Jahren auch ihren Mann angesteckt – und so setzte das Paar die Segel neu und ließ sich den beruflichen Wind noch einmal so richtig um die Nase wehen.

Unseren ersten Interview-Termin sagt Prof. Dr. Katja Ehrenbrusthoff ab. Keine große Konferenz, kein wichtiges Forschungsprojekt ist der Grund. „Ich musste in meiner Funktion als Oma einspringen“, erklärt die 49-Jährige. Und lacht. Ein paar Tage später hat sie Zeit. Und erzählt von sich. Davon, wie alles begann. Nach dem Abitur machte die heute 49-Jährige zuerst 1992 eine zweijährige fachschulische Ausbildung zur Physiotherapeutin, danach ihr Anerkennungsjahr und arbeitet unter anderem in verschiedenen Rehabilitationskliniken. „Ich wusste damals schnell, dass ich mich im Bereich der Muskuloskelettalen Physiotherapie, speziell der Manuellen Therapie bei Menschen mit Erkrankungen am Bewegungsapparat, wohlfühle und habe mich – so wie man das damals gemacht hat – in Zertifikatskursen weitergebildet“, erinnert sich Ehrenbrusthoff.

Ob sie nicht lieber Medizin studieren wollte, wurde sie damals häufig gefragt – „aber, das war nicht das, was ich wollte, mich interessierte immer nur die Physiotherapie.“ Damals eine sehr bewusste Entscheidung gegen eine akademische Laufbahn, denn eine Akademisierung des Faches, wie sie die Hochschule für Gesundheit in Bochum nunmehr seit mehr als zehn Jahren anbietet, gab es damals noch lange nicht. Doch im Zuge der ständigen Weiterbildung stößt Katja Ehrenbrusthoff auch auf einen international anerkannten Abschluss in Manueller Therapie, setzt weitere 1500 Stunden Weiterbildung drauf, die unter anderem auch wissenschaftliches Arbeiten beinhalteten, und macht ein als Bachelor-Äquivalent anerkanntes Zertifikat in der Orthopädischen Manuellen Therapie (OMT) bei der Physio-Akademie in Wremen: „Dort wurde das erste Mal auch davon gesprochen, dass wir die wissenschaftliche Sicht auf die Physiotherapie mit einbringen müssen. Für mich wurde immer deutlicher, dass ich lernen möchte zu forschen. Ich war regelrecht angesteckt“, so Ehrenbrusthoff.

"Für mich wurde immer deutlicher, dass ich lernen möchte zu forschen. Ich war regelrecht angesteckt"

Dann erfuhr Ehrenbrusthoff von einer Kooperation der Physio-Akademie mit der Teesside University im englischen Middlesbrough und dem dort angesiedelten Masterstudiengang ‚Advanced Clinical Practice – Manipulative Therapy‘ via Fernstudium. „Da dachte ich mir, jetzt kann ich ja versuchen, Forschung zu lernen und das sogar, während ich ganz normal weiterarbeite, denn ich habe immer gerne mit den Patient*innen gearbeitet und konnte mir nicht vorstellen, darauf komplett zu verzichten“, erinnert sich Ehrenbrusthoff. „Dann habe ich mich beworben, musste aber erst einmal mein Englisch auffrischen, da ich damals ja auch schon fast Mitte 30 war.“ 2008 dann beginnt sie ihr Fernstudium, macht bis 2011 ihren Master of Science im Bereich Advanced Clinical Practice und fragt danach, inzwischen bereits 40 Jahre alt, wie es denn mit den Möglichkeiten einer Promotion aussehe.

Gemeinsam die Segel neu setzen

Bei einem Kaffee besprach sie mit ihren beiden Studienbetreuern die Rahmenbedingungen. Mit dabei: ihr Ehemann, der bereits einige Jahre älter ist als sie und sich mehr und mehr von ihrer Energie und ihrem Lerneifer selber motiviert fühlt, die Segel neu zu setzen: „Für uns war klar, dass dieses Projekt ein gemeinsames sein würde“, erzählt Prof. Dr. Katja Ehrenbrusthoff. „Für uns bedeutete es, dass wir für die nächsten acht Jahre den Großteil unserer freien Zeit gemeinsam in England verbringen würden. Und auch das war retrospektiv eine tolle Erfahrung.“

Im Jahr 2011 fing sie aber auch ihre Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gesundheit in Bochum an, wo man sofort bereit war, sich auf dieses kooperative Promotionsprojekt einzulassen. Thema ihrer Arbeit war die sensomotorische Dysfunktion bei Menschen mit chronischen Rückenschmerzen, also die Veränderungen von Teilen des Zentralnervensystems bei der Verarbeitung von sensorischen Reizen bei Menschen mit ständigen Rückenschmerzen. „Für mich war das eine schöne Verbindung zwischen beiden Orten, auch wenn das Promotionsrecht immer in England lag. In Deutschland wäre eine Promotion inzwischen ebenfalls möglich gewesen, nur waren die Wege in England bereits geebneter, ich musste mich um weniger Formalien kümmern und es gab sehr klare Strukturen.“

Das Bild zeigt Katja Ehrenbrusthoff mit ihrem Mnan in Cornwall
Foto: privat
Als Team haben Katja Ehrenbrusthoff und ihr Mann (rechts im Bild) den Sprung in ein neues Kapitel ihres Lebens gewagt. Zu sehen sind sie hier im britischen Cornwall.

Während sie also immer wieder in Middlesbrough an der Uni ihre Präsenzzeit verbringt, erkundet ihr Ehemann die kleine Stadt – und gemeinsam reisen sie dann auch immer wieder durch England. Mal mit dem Fahrrad durch den Norden. Mal an die Strände von Cornwall. Und gemeinsam wagen sie auch beruflich einen Neustart. Sie mit der Promotion und er mit einer beruflichen Umorientierung: „Mein Mann war bis zum Zeitpunkt meines Promotionsbeginns noch Vertriebsingenieur für Flurförderfahrzeuge und Lagertechnik, hat dann aber ganz bewusst 2017 seinen Job an den Nagel gehängt, um eine Ausbildung als Altenpfleger zu beginnen. Heute ist er mit Anfang 60 examinierter Altenpfleger und arbeitet in einem stationären Hospiz. An der Arbeit hängt sein Herz.“ – Und das ihre an der Arbeit an der Hochschule für Gesundheit, inzwischen als Professorin für Physiotherapie.

Stärke vermitteln und Selbstbewusstsein fördern

Auch wenn sie aktuell nicht mehr täglich intensiv mit Patient*innen zusammenarbeitet, sind es doch wieder Menschen, denen Sie vieles geben kann: ihre Studierenden. „Ich möchte ihnen mit auf den Weg geben, was für ein spannender Beruf das ist, der – gerade weil er noch sehr in der Entwicklung ist – aktuell von vielen Leuten so toll mitgestaltet werden kann. Außerdem möchte ich die Student*innen dazu motivieren, auch unter den nicht immer so guten Rahmenbedingungen im Beruf – darunter noch immer häufig eine nicht gute Bezahlung und viel zu wenig Zeit für die Patient*innen –  gute Arbeit zu leisten, denn auch in knappen 20 Minuten kann man mit einer Patient*in so vieles bewirken.“

Selbstbewusstsein möchte sie ihren Studierenden geben, damit sie kritisch nachfragen und selber forschen. Und Stärke will sie ihnen vermitteln, damit sie dicke Bretter durchbohren, durchhalten, auch politisch am Ball bleiben und immer wieder den Mehrwert einer guten primärqualifizierenden akademischen Ausbildung betonen können. Sie möchte ihnen den Mut geben, Dinge zu verändern, nicht aufzugeben und bis zum Ende durchzuhalten. So wie sie es getan hat.

Kraft dafür schöpft Prof. Dr. Katja Ehrenbrusthoff aus ihrer Freizeit. Aus ihrem Privatleben, das ihr sehr wichtig ist. Dann kocht sie gerne. Und wandert. Vor allem aber ist da die Sache mit dem Oma-sein. Und wieder lachend kommt sie da auf die Verschiebung unseres Interviews zurück: „Wissen Sie, ich bin nämlich mit Leib und Seele Oma. Mein Mann hat drei Kinder aus erster Ehe, die jetzt alle erwachsen sind. Wir sind mittlerweile schon vierfache Großeltern. Ich liebe es, Zeit mit meinen Enkelkindern zu verbringen; dann werden Höhlen gebaut, wir gehen schwimmen oder backen gemeinsam. Auch daran hängt mein Herz.“

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