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Von der Musik zur Physiotherapie

2. Oktober 2017

Trotz ihrer großen Liebe zur Violine und zum Gesang hat sich Lydia Lavinia Weissert nicht für ein Musikstudium, sondern für ein Studium der Physiotherapie an der Hochschule für Gesundheit (hsg) entschieden. Inzwischen hat sie ihr Studium fast abgeschlossen. Nur noch die Bachelor-Arbeit fehlt, die sie gerne über arbeitsplatzbezogene Einflussfaktoren auf den Gesundheitszustand von professionellen Musiker*innen schreiben möchte. Schon jetzt arbeitet die 24-Jährige als Physiotherapeutin. Im hsg-magazin erzählt Lydia Lavinia Weissert über die Erfahrungen, die Sie bereits in der Arbeitswelt gesammelt hat.

Wie kam es, dass Sie sich für Physiotherapie interessiert haben?

Lydia Lavinia Weissert: Während meiner Abitur-Zeit war ich selbst in physiotherapeutischer Behandlung und erfuhr so zum ersten Mal konkret etwas über diesen Beruf und seine Ausbildung. Da mich die langen Wartezeiten in Arztpraxen und die im Vergleich sehr kurz ausfallenden Diagnosestellungen sehr störten, wollte ich selbst etwas zum Wohlergehen von Menschen im Gesundheitsbereich beitragen. Und so schien mir Physiotherapie die richtige Berufswahl, um mit meinen eigenen Händen etwas bewirken zu können. Insbesondere mein Ziel mit Musiker*innen zu arbeiten und spielbedingte Beschwerden zu lindern, ist mit der Wahl dieses Berufes in greifbare Nähe gerückt.

Wo arbeiten Sie denn inzwischen und was sind Ihre Aufgaben dort?

Weissert: Ich arbeite seit ich das Staatsexamen abgelegt habe in der ambulanten Rehabilitationsklinik Ortho Mobile (OM) in Hattingen als Physiotherapeutin. Die Ortho-Mobile GmbH  ist eine ambulante Rehaklinik, welche schon 1994 als erstes Zentrum dieser Art in Westfalen gegründet wurde. Ich habe mein drittes Praktikum, das war im dritten Semester, in dieser Einrichtung absolviert und es stellte sich ganz schnell als mein Lieblingspraktikum heraus. Das OM ist einfach ein Ort, an dem man gerne und mit super Kolleg*innen – und zwar fachlich wie menschlich – zusammenarbeitet. Ich bin derzeit für die Versorgung der Heilmittelpatienten eingesetzt, arbeite also mit Patient*innen die sich nicht in der Reha befinden, sondern mit einer Verordnung aus einer niedergelassenen Arztpraxis zu uns kommen. Zu meinen Aufgaben gehört vor allem das Befunden und Behandeln von Patient*innen mit Schulter-, Hüft-, Knie- und Rückenbeschwerden sowie Patient*innen mit Schwindel und nach operativen Eingriffen. Ab und zu leite ich außerdem Funktionsgymnastik- und Bewegungsbadgruppen, in denen sich Patient*innen befinden, die eine Reha bei uns machen.

Das Ortho-Mobile in Hattingen ist eine ambulante Rehaklinik. Hier arbeitet Lydia Lavinia Weissert. Foto: Ortho-Mobile

Haben Sie sich das Berufsleben als Physiotherapeutin so vorgestellt?

Weissert: Ja, hab ich. Als ich anfing zu arbeiten, hat mich eigentlich nichts überrascht, zumal ich meinen jetzigen Arbeitsplatz ja bereits durch ein Praktikum innerhalb des Studiums kannte. Ich bin von meiner Chefin zudem sehr gut eingearbeitet worden. Natürlich trage ich als eigenständig arbeitende Physiotherapeutin nun eine große Verantwortung und muss auch mit schwierigen Situationen alleine zurechtkommen, aber es gibt ja zum Glück Kolleg*innen, mit denen Austausch möglich ist. Was übrigens im normalen Arbeitsleben deutlicher spürbar ist als im Praktikum, ist die körperliche Anstrengung, die nach einem vollen Arbeitstag am Abend nachwirkt.

Warum haben Sie sich eigentlich gegen eine Ausbildung und für ein Studium entschieden?

Weissert: Eine Ausbildung ist sehr teuer und mir war außerdem klar, dass ich gerne studieren und in kein schulisches System zurück möchte. Durch die damalige Mitbewohnerin meines Bruders bin ich auf die hsg gestoßen. Da die hsg zu diesem Zeitpunkt die einzige staatliche Hochschule in Deutschland war, die Physiotherapie primärqualifizierend angeboten hat, war für mich klar, dass es entweder die hsg wird oder keine.

Sind Sie im Studium an der hsg gut auf ihr jetziges Berufsleben vorbereitet worden?

Weissert: Ja, sehr gut. Durch die Praktika, die wir ab dem ersten Semester an der hsg haben, fühlte ich mich gut auf das Berufsleben vorbereitet. Ich habe dabei einiges zu sehen bekommen und schnell für mich bemerkt, wie ich einmal arbeiten möchte und wie nicht. An der Hochschule wurde die zu der Theorie passende Praxis in praktischen Übungen angewandt. Gemeinsam mit den Erfahrungen aus den 1600 Praxisstunden, die wir während des Studiums absolvieren müssen, ergibt sich hierbei fachlich und menschlich hochwertiges Behandeln – vorausgesetzt man schafft es, die Essenz aus diesen beiden Welten, der Theorie und der Praxis, optimal zusammenzufügen.

Mit ihrer Anstellung bei Ortho-Mobile in Hattingen ist Lydia Lavinia Weissert zufrieden. Sowohl auf der fachlichen als auch auf der menschlichen Ebene gefällt es ihr dort sehr gut. Foto: Ortho-Mobile

Würden Sie gerne auch noch ein Master-Studium absolvieren?

Weissert: Ich möchte sehr gerne einen Master machen. Zunächst ist mir jedoch eine gewisse Berufserfahrung wichtig. Und bevor ich meinen Master beginne, möchte ich noch einige Monate reisen.

Wenn Sie die Zeit zurück drehen könnten: Hätten Sie im Nachhinein irgendetwas auf Ihrem beruflichen Weg anders gemacht?

Weissert: Nichts. Alles war genau so richtig. In den ersten beiden Semestern hatte ich mit Zweifeln zu kämpfen, ob ich nicht doch lieber Musik studieren möchte. Von der jetzigen Warte aus betrachtet, war es aber richtig, bei der Physiotherapie zu bleiben. Als Musikerin kann ich keine Musiker*innen behandeln. Als Physiotherapeutin schon. Und die Entfaltungsmöglichkeiten in diesem Bereich sind vielfältig. Die Musik wird mir außerdem mein Leben lang als Hobby erhalten bleiben – und wer weiß, vielleicht studiere ich ja doch noch eines Tages Musik.

 Welchen Rat würden Sie gerne anderen Studierenden mitgeben?

Weissert: Das Studium an der hsg ist anspruchsvoll, lernintensiv und lässt einem wenig freie Zeit. Nicht selten hat man das Gefühl, nicht hinterherzukommen, dem Leistungsdruck nicht gerecht zu werden, die Inhalte nicht mehr aufnehmen zu können, pausen- und atemlos von Prüfungen über Hausarbeiten ins Praktikum überzugehen. Aus eigener Erfahrung kann ich jedoch sagen, dass es trotzdem möglich ist für das Leben zu studieren und nicht für das Studium zu leben. Wenn Ihr Musik machen wollt: Tut es! Wenn Ihr Sport machen wollt: Tut es! Wenn Ihr Freund*innen oder Familienmitglieder sehen wollt: Tut es! Vielleicht steht dann im Abschlusszeugnis nicht vor jeder Note eine ‚1‘ vor dem Komma, aber letzten Endes kommt es meiner Meinung nach darauf an, dass ihr einfühlsame, herzliche und kompetente Therapeut*innen, Pfleger*innen oder Hebammen werdet. Dafür ist theoretisches Wissen genauso wichtig wie Sozialkompetenz und eigenes Wohlbefinden – und das ist nichts, was man am Schreibtisch lernen kann. Also werdet keine Stubenhocker während des Studiums, sondern erkundet auch die schönen Parks, Cafés und Kulturangebote in und um Bochum!


Das Interview führte Dr. Anna Knaup, Online-Redakteurin des hsg-magazins. Es erschien im hsg-magazin am 2. Oktober 2017.
Aufmacher: hsg

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